Vorratsdatenspeicherung

„Vielleicht können wir sie ja irgendwann mal brauchen“ – nach diesem Motto wurden alle Telekommunikations- und Internetanbieter per Gesetz dazu verpflichtet, ab Januar 2008 alle Telefon-, Handy- und EMail- Verbindungsdaten sechs Monate lang „auf Vorrat“ zu speichern. Gespeichert werden Rufnummern und Anrufzeit, Standort (bei Handy) und IP-Adressen, also die Internetadresse  bei Internetverbindungen. Diese personenbezogenen Daten sollen bei Bedarf an die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste zur Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten und anderen Zwecken weitergegeben werden. Eine solche Speicherung auf Vorrat ist datenschutzrechtlich bisher unzulässig, weil kein konkreter Zweck erkennbar ist. Im Fall der Telekommunikationsüberwachung werden personenbezogene Daten praktisch aller Bürgerinnen und Bürger verdachtsunabhängig gespeichert. Bis dahin durften die Anbieter nur die zur Abrechnung nötigen Daten speichern. Mit den jetzt auf Vorrat gespeicherten personenbezogenen Daten wird jederzeit nachvollziehbar, wer mit wem wie lange kommuniziert hat. Bewegungsprofile und Kommunikationsnetzwerke, geschäftliche Kontakte und freundschaftliche Beziehungen können sichtbar gemacht werden. Der tatsächliche Nutzen dieser Speicherung im Kampf gegen Terrorismus und Internetkriminalität ist, das ergab eine Untersuchung des Max-Plack-Instituts äußerst fraglich. Die Missbrauchsmöglichkeiten durch die Sicherheitsbehörden sind dagegen sehr hoch. Gegen diese Misstrauenserklärung der Regierung an die Bürgerinnen und Bürger hat sich ein bis dahin nicht gekannter breiter Protest entwickelt. 35 000 Bürgerinnen und Bürger, darunter auch Mitglieder der Fraktion DIE LINKE., haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Frühjahr 2008 hat das Bundesverfassungsgericht die Verwendung der Daten vorläufig auf Ermittlungen bei „schweren Straftaten“ beschränkt.

Regierung und Sicherheitsbehörden haben technische Alternativen zur Sicherstellung von Daten bei Vorliegen eines konkreten Verdachts und Bedenken hinsichtlich des praktischen Nutzens und der rechtlichen Zulässigkeit nicht zur Kenntnis genommen. Sie haben mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einen schweren, nicht hinnehmbaren Eingriff in die Kommunikationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger vorgenommen. Die wachsende Bedeutung der Telekommunikation in allen Bereiche von Staat und Gesellschaft führt dazu, dass wir ständig Daten und Datenspuren hinterlassen. Setzt sich das Prinzip durch, diese Daten ohne jeglichen Verdacht auf Vorrat zu speichern, um sie irgendwann zu einem für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbaren Zweck zu verwenden, droht der Überwachungsstaat.

DIE LINKE unterstützt politisch und durch Teilnahme einiger Abgeordneter die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. DIE LINKE lehnt auch eine rechtsstaatlich gezähmte Vorratsdatenspeicherung ab und drängt auf ein Moratorium aller geplanten Sicherheitsgesetzverschärfungen und die Überprüfung aller bereits beschlossenen Sicherheitsgesetze auf unverhältnismäßige, nicht zulässige Eingriffe in Grundrechte.