Es gibt Alternativen
Grußschreiben von Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, an die Delegierten des Parteitages der LINKEN am 2. und 3. Juni 2012 in Göttingen
Grußschreiben von Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, an die Delegierten des Parteitages der LINKEN am 2. und 3. Juni 2012 in Göttingen
Lieber Klaus Ernst,
liebe Delegierte,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Krise in Europa geht unvermindert weiter. Aus der Bankenrettungskrise ist in Europa längst eine soziale Krise geworden: Arbeitslosigkeit und Armut wachsen in vielen Ländern. Die Regierungen der meisten europäischen Staaten und die EU-Kommission haben bislang lediglich neoliberale Rezepte vorgelegt: Fiskalpakt und Schuldenbremsen, die Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Aussetzung sozialer und kollektiver Grundrechte. Die Jugend wird um ihre Zukunft gebracht und es erfolgen massive Eingriffe in die Tarifautonomie. Aus unserer Sicht sind dies die falschen Strategien. Denn viele Länder fallen in wirtschaftliche Rezession und destabilisieren sich zusehends politisch, der Nationalismus nimmt zu.
Dabei gibt es Alternativen - wir brauchen einen Politikwechsel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Wir wollen ein Europa ohne Grenzen und als Friedensraum, ein Europa von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ein Europa, in dem die Arbeitnehmerrechte geachtet werden und die Sozialpartnerschaft funktioniert, ein Europa mit Mitbestimmung und Sozialstaatlichkeit, ein Europa, in dem die Menschen in Anstand und Würde leben können.
Deshalb fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:
Die deutsche Bundesregierung sollte endlich beweisen, dass sie es ernst meint mit der Finanztransaktionssteuer - auf nationaler, europäischer und globaler Ebene.
Deutschland ist bislang gut durch die Krise gekommen - und dennoch, der deutsche Arbeitsmarkt ist tief gespalten, die Arbeitslosenzahlen geschönt. Leiharbeit, Minijobs, Scheinselbständigkeit, unfreiwillige Teilzeit, befristete Beschäftigung und die psychische Belastung am Arbeitsplatz nehmen stetig zu. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet zudem zu Armutslöhnen und oft bis zu 50 Stunden in der Woche. Das ist nicht nur ungerecht, das ist unwürdig.
Die Rentenreformen der vergangenen fünfzehn Jahre werden künftige Rentnergenerationen massiv treffen: die Rente mit 67, der sogenannte "Nachhaltigkeitsfaktor" und die Teilprivatisierung der Rentenversicherung bedrohen den Lebensstandard der Beschäftigten im Alter, selbst wenn sie heute wenigstens ein mittleres Einkommen beziehen. Altersarmut droht damit zu einem Massenphänomen zu werden.
Es gibt Alternativen: Wir wollen, dass die Menschen von ihrem Lohn mit ihren Familien ein gutes Leben führen können. Arbeitende Menschen müssen mitbestimmen können, die Arbeit darf sie nicht krank machen und sie muss am Ende eines Arbeitslebens für ein würdiges Leben mit einer auskömmlichen Rente reichen.
Deshalb fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gewerkschaften setzen auf verlässliche Partner in der Politik und auf gesellschaftliche Bündnisse, um gute Arbeit, Gerechtigkeit und Solidarität durchzusetzen. Als Einheitsgewerkschaft arbeiten wir mit allen Parteien auf Grundlage der demokratischen Ordnung zusammen. Dabei werden wir unsere Unabhängigkeit wahren.
Ich wünsche dem Parteitag der LINKEN einen guten Verlauf.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Sommer