Wir bejahen die Europäische Union
Bericht von Gabi Zimmer, Sprecherin der Delegation der LINKEN im Europäischen Parlament
Bericht von Gabi Zimmer, Sprecherin der Delegation der LINKEN im Europäischen Parlament
Liebe Delegierte, liebe Gäste, zehn Minuten und Europa: Das wird knapp! Meine Zwischenbilanz unserer Delegation im EP liegt außerhalb des Saales auf einem Infotisch schriftlich aus. Unsere Delegation besteht aus sieben Abgeordneten, die 2004 mit dem Mandat der Partei des Demokratischen Sozialismus in das Europäische Parlament gewählt wurden. Wir wurden dann zu Abgesandten der Linkspartei.PDS und der Partei DIE LINKE. Was in nur drei Jahren so alles passieren kann! Warum sollte eine ähnlich rasante positive Entwicklung nicht auch in Frankreich, Spanien oder Italien möglich sein, wo es sehr wohl eine starke gesellschaftliche Linke gibt! Ein gemeinsam mit der Europäischen Linke geführter Wahlkampf kann für die Europäische Linke nur stärkend sein. Und weil zehn Minuten schnell um sind, möchte ich gleich jene drei Dinge sagen, die mir mit Blick auf die nächsten Monate besonders wichtig sind:
1. Weil Mythen ein Eigenleben führen, sage ich jetzt klar und deutlich: Die PDS hat den Maastrichter Vertrag, den Amsterdamer Vertrag und den Vertrag von Nizza aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. In unserem Europawahlprogramm von 2004 heißt es bezugnehmend auf den damaligen EU-Verfassungsentwurf unmißverständlich: Ich zitiere "Die PDS sagt NEIN zu dem vorliegenden Verfassungsentwurf". Zitatende. Die PDS hat ihn also abgelehnt – nach eingehender Prüfung seiner Inhalte. Ebenso gründlich haben wir den Lissabonner Vertrag analysiert. Dabei haben wir durchaus Fortschritte zu den geltenden Verträgen festgestellt. Dennoch befördert der Lissabonner Vertrag wesentlich stärker die zerstörerischen Entwicklungstendenzen in der EU und global. Deshalb hat die klare Mehrheit unserer EP-Delegation NEIN zum Lissabonner Vertrag gesagt. Nicht "nur", weil der Lissabonner Vertrag Sozial- und Lohndumping fördert und Aufrüstung vorschreibt und undemokratisch zustande kommt, sondern weil er ebenso Überwachung vorsieht, die EU vor Flüchtlingen und Migration abschottet und weil er ökologische und globale Probleme marginalisiert. Es ist mir daher unverständlich, wieso sorgfältiges Prüfen und zusätzliche Argumente, die Linke zu einer Ablehnung eines EU-Vertrages zwingen, als wiederholter Versuch gewertet wurden, die Ablehnung des Lissabonner Vertrags angeblich relativieren zu wollen. Es sollte eigentich selbstverständlich sein, dass klar geäußerte Mehrheitspositionen unserer Delegation auch als diese zur Kenntnis genommen werden.
2. Oskar hat gestern unsere internationale Verantwortung betont. Das spricht für einen engagierten Europawahlkampf 2009. Angesichts von Bundestagswahlen und Landtagswahlen im kommenden Jahr ist das zweifellos eine enorme Herausforderung. Es ist unsere internationalistische Pflicht, mit dem Europawahlkampf die Bedingungen dafür zu verbessern, dass in der nächsten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments die Voraussetzungen für den längst überfälligen Politikwechsel in der Europäischen Union geschaffen werden. Das kann nicht allein aus dem Parlament erzwungen werden. Aber ohne eine gestärkte europäische Linke im Europaparlament kann der Wandel nicht erreicht werden. Er wird nur dann möglich, wenn der politische Druck, der von lokalen Initiativen bis hin zu europäischen Netzwerken ausgeht, auch künftig von Europa-Abgeordneten aufgegriffen wird - wenn sich die linken Abgeordneten um die Kommunikation, Vernetzung und Kooperation mit anderen demokratischen politischen und sozialen Akteuren bemühen.
Es bietet sich an, drei Projekte in die öffentliche Diskussion und in den Alltag bringen: Wir wollen die Rahmenbedingungen für nationalstaatliche, regionale und lokale Entwicklungen demokratisch gestalten. Über 80% der Gesetze, die in unserem Land verabschiedet werden, haben mit Rahmenbedingungen zu tun, die durch die Europäische Union gesetzt sind. Wir wollen die Kapital- bzw. Profitdominanz zurück drängen und durch eine sozial und ökologisch verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik die Bedingungen für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Gesellschaften schaffen. Wir wollen, dass Europa sich nicht an Kriegen beteiligt, statt dessen durch eine alternative europäische Außenpolitik dafür sorgt, dass von europäischem Boden in Zukunft niemals mehr Krieg ausgeht.
3. Im Unterschied zu 2004 starten wir den Europawahlkampf 2009 mit unserer neuen Partei. Die europapolitische Passage in den programmatischen Eckpunkten ist verdammt knapp gehalten. Unser Wahlprogramm 2009 kann also nicht darauf beschränken, ein Arbeitsprogramm für die nächste EP-Legislatur sein, sondern muss grundsätzliche europapolitische Aussagen enthalten.
Aus zeitlichen Gründen deute ich die Richtungen an: Wir nehmen die EU-Ebene als politische Herausforderung an, d.h. wir kritisieren EU-Politik und leiten aus unserer Kritik auch Forderungen und Empfehlungen an die Institutionen der Europäischen Union ab. Wir bejahen die Europäische Union, weil ihr Potenzial gebraucht wird, um soziale, ökologische und globale Probleme zu lösen.
In der vorliegenden Zwischenbilanz, habe ich einige Beispiele genannt, in denen die Europäische Linksfraktion (GUE/NGL) und die Delegation der LINKEN. im Europaparlament in der laufenden Legislaturperiode trotz ihrer politischen Minderheitenposition durchaus wichtige Akzente setzen konnten.
Das reicht von der Entschärfung - wenn auch nicht Verhinderung – der Dienstleistungsrichtlinie über die Beibehaltung kommunaler Selbstbestimmung beim ÖPNV bis hin zur gemeinsamen Kritik von Abgeordneten des europäischen Parlaments und der Parlamente der AKP-Staaten an den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die de facto Freihandelsabkommen sind.
Solche scheinbar kleinen Erfolge sollten wir unter den gegebenen politischen Kräfteverhältnissen keineswegs gering schätzen. Das darf uns nicht dazu verführen, die eigenen aktuellen Gestaltungsmöglichkeiten zu überschätzen.
Der Weg zum politischen Kurswechsel der EU ist noch weit. Das zeigt sich durchaus in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen, wobei ich besonders hervorhebe:
Voraussetzung wäre Abkehr von der Lissabon-Strategie!
Liebe Genossinnen und Genossen, die GUE/NGL steht für "Konföderation der Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke". 17 Parteien aus 14 Ländern sind mit ihr verbunden. Darunter sind mehrere Parteien, die nicht der Europäischen Linkspartei angehören. Und nicht alle Mitgliedsparteien der "Europäischen Linken" sind – insbesondere wegen ihrer Wahlergebnisse - in der GUE/NGL vertreten. Die Herausforderung ist, diese Unterschiede für linke Politik in Europa produktiv zu machen, in einen Gewinn an Politikwirksamkeit umzusetzen. Es geht also darum, die Segel so zu setzen, dass wir aus der politischen Minderheitenposition dennoch zukunftsfähige Reformen einleiten und gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse verändern zu können. Dafür haben wir Linken in Deutschland eine besonders große Verantwortung, die unter anderem mit den Ressourcen über die Deutschland in der EU verfügt, resultieren. Konkrete Fakten könnt Ihr dazu auch meinem beim Stand der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausliegenden Standpunktpapier entnehmen. Nur ein skandalöser Punkt sei hier benannt: 0,35% nach oben deutlich manipulierte Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland und andererseits 41,6% der militärischen Ausrüstung, die Deutschland in der EU stellt.
Gejammere über das arme Deutschland, das von Brüssel geknechtet wird, kann mich nicht überzeugen. Wir brauchen Aufklärung statt Verklärung, Information statt Unterstellungen. Gleiches trifft zu, wenn man den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Gregor Gysi in die Nähe von jenen politischen Kräften rückt, die Palästinenserinnen und Palästinenser die Menschen- und Bürgerrechte verwehren. Das hat der Menschen- und Bürgerrechtler Gysi nie getan!
Es gehört zu den Aufgaben insbesondere von Abgeordneten der LINKEN, die Bürgerinnen und Bürger über politische Zusammenhänge, über das Zusammenspiel von politischen Entscheidungen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene aufzuklären und für gesellschaftliche Veränderungen zu mobilisieren.
Hierfür haben wir einen Beitrag geleistet. Daran arbeiten wir weiter!