Sofortinformation - Klausur am 3. und 4. Juli 2010

Liebe Genossinnen und Genossen, in der aktuell-politischen Verständigung befasste sich der Parteivorstand zunächst mit der Vorbereitung, dem Verlauf und den Ergebnissen der jüngsten Bundesversammlung. Er dankte den Wahlfrauen und Wahlmännern der LINKEN für ihr Agieren, ein besonderer Dank galt Luc Jochimsen, der Kandidatin unserer Partei. Im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl zeigte sich einmal mehr die Strategie von SPD und Grünen, wie sie auch jüngst in Nordrhein-Westfalen deutlich wurde. Es ging Rot-Grün nicht wirklich darum, eine Mehrheit gegen Wulff zu organisieren, sondern darum, das bürgerliche Lager zu spalten und DIE LINKE zu stigmatisieren. Wenn es ihnen Ernst gewesen wäre mit einer Alternative zu Wulff hätten sie das Gespräch mit der LINKEN suchen und die Kandidatensuche auf inhaltliche Grundlagen stellen müssen. Selbst wenn die Wahlmänner und -frauen der LINKEN im 2. und 3. Wahlgang für Gauck gestimmt hätten, hätte es keine Mehrheit gegen Wulff gegeben. Rot-Grün betreibt da eine aggressive Legendenbildung. Diether Dehm entschuldigte sich auch im Parteivorstand für den von ihm angestellten Vergleich zu der Wahlalternative Wulff vs. Gauck.

Gast im Vorstand war dann der Wirtschaftswissenschaftler und Finanzpolitiker Dr. Heiner Flassbeck, Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, der einen Vortrag zur weltwirtschaftlichen Lage, zu Ursachen der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise sowie möglichen Lösungsstrategien hielt und darüber mit den Mitgliedern des Parteivorstandes diskutierte.

Die Krise, ihre Folgen und Wege aus der Krise waren auch wesentliche Themen eines Tagesordnungspunktes, der mit den Worten "Politik – Programmatik – Strategie" überschrieben war. In einem Beschluss des Parteivorstandes "Gerecht besteuern statt sozialer Kahlschlag – Bündnis für soziale Gerechtigkeit organisieren!" heißt es: "Das Kürzungspaket der schwarzgelben Bundesregierung führt zu keiner Sanierung der öffentlichen Haushalte, sondern vertieft die soziale und gesellschaftspolitische Spaltung im Lande. Es besteht im Kern aus zwei Teilen: aus harten Einschnitten im Bereich Arbeit und Soziales, die sich vor allem gegen Erwerbslose richten; und aus vagen Ankündigungen für eine Bankensteuer oder Brennelementesteuer für AKW-Betreiber, für die noch nicht einmal die ersten Fassungen eines Gesetzentwurfes geschrieben sind. Die Bundesregierung verzichtet auf jede Mehrbelastung der hohen und höchsten Einkommen genauso wie auf eine Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften. DIE LINKE lehnt dieses Kürzungspaket wie die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, wie Gewerkschaften und Sozialverbände ab." Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise, so weiter im Beschluss, sei eine Gesellschafts- und Demokratiekrise geworden. Wenn aus den öffentlichen Haushalten elementare staatliche Aufgaben nicht mehr finanziert würden, nehme die Staats- und Politikverdrossenheit zu. Und weiter wörtlich: "Die systematische Verarmung der öffentlichen Kassen muss gestoppt werden. Auch DIE LINKE ist der Auffassung, dass die ausufernde staatliche Verschuldung die Handlungsfähigkeit staatlicher Instanzen einschränkt und daher mittelfristig auf ein ökonomisch vertretbares Maß reduziert werden muss. Im Gegensatz zur Politik der mit uns konkurrierenden Parteien wollen wir dies vor allem durch die Verbesserung der Einnahmen des Staates erreichen." Dafür sowie für sinnvolle Sparmaßnahmen unterbreitet DIE LINKE eine Reihe Vorschläge. Die Partei will dazu beitragen, dass das Programm des sozialen Kahlschlags und der sozialen Ungerechtigkeit von CDU/CSU und FDP verhindert wird und tritt deshalb dafür ein, ein Bündnis für soziale Gerechtigkeit zu organisieren, in dem DIE LINKE ihre Kompetenz, ihre organisatorischen Möglichkeiten aber auch ihre parlamentarischen Mittel einbringt. Wörtlich: "Alle regionalen Gliederungen der LINKEN sind aufgerufen, sich an solchen regionalen Bündnissen mit Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen und auch anderen Parteien zu beteiligen oder sie zu initiieren." Die Bundesgeschäftsführung wurde beauftragt, Material gegen das "Sparpaket" für die Öffentlichkeitsarbeit bereit zu stellen.

In einem weiteren Beschluss, der Auswege aus der Krise aufzeigen soll, macht der Parteivorstand zentrale wirtschaftspolitische Forderungen deutlich: Binnennachfrage stärken – öffentliche Arbeitsplätze schaffen – sozial-ökologischen Umbau vorantreiben – Eurokrise bekämpfen – Banken vergesellschaften und Finanzmärkte regulieren – Reiche besteuern.

In einem Beschluss zur Führung der Programmdebatte dankt der Parteivorstand den Mitgliedern und den Sekretären der Programmkommission für ihre Arbeit und legt fest, dass die Erarbeitung eines Entwurfes, der dem Programmparteitag 2011 als Leitantrag vorgelegt wird, nunmehr in der Verantwortung der Parteivorsitzenden und des Parteivorstandes liegt. Die Hinweise und Überlegungen aus der Programmdebatte werden bei der Erstellung des Entwurfes herangezogen, dafür wurde auf Vorschlag der Parteivorsitzenden eine vierköpfige Redaktionskommission gebildet, der Matthias Höhn, Katja Kipping, Ralf Krämer und Sahra Wagenknecht angehören. Die Leitung liegt bei den Parteivorsitzenden. Im Beschluss des Parteivorstandes wird darauf orientiert, die Programmdebatte intensiv zu nutzen, um innerhalb der Mitgliedschaft Diskussionen zu organisieren, internen und externen Sachverstand heranzuziehen, Diskussionsmaterialien auszuarbeiten, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchzuführen und eine zielgerichtete Medienarbeit zu leisten. Das neue Programm der LINKEN soll in einem Prozess aktiver Mitgliederbeteiligung entstehen. Zu den Stationen der Programmdebatte zählen Regionalkonferenzen im September und Oktober 2010 sowie ein Programmkonvent, der am 6. November 2010 in Hannover stattfinden soll.

Auf der Klausur befasste sich der Parteivorstand mit seiner künftigen Arbeitsweise und beschloss dazu mehrere Papiere: eine Geschäftsordnung; die Regelung von Zuständigkeiten im Parteivorstand und die Ansprechpartner/innen für die Zusammenschlüsse; die Sitzungsplanung des Parteivorstandes 2010 / 2011. Beschlossen wurde die Bildung einer "Internationalen Kommission" beim Parteivorstand DIE LINKE", die von Oskar Lafontaine geleitet werden soll und die koordinierende und beratende Aufgaben hat.

Zustimmung fand eine Vorlage "Unterstützung der Wahlkämpfe 2011". Im Beschluss heißt es: "Der Parteivorstand unterstützt die Wahlkämpfe 2011 in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bremen, Niedersachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sowie ausgewählte Bürgermeisterwahlen organisatorisch, personell und finanziell…" Die Bundesgeschäftsführung wurde mit der Wahlkampfleitung beauftragt und ein Bundeswahlbüro berufen.

Als seine Mitglieder im Bundesausschuss der Partei bestimmte der Parteivorstand Ali Al Dailami, Diether Dehm, Renate Harcke, Stefan Hartmann, Steffen Harzer, Rosemarie Hein, Irene Müller, Brigitte Ostmeyer, Tobias Pflüger, Christel Rajda, Ida Schillen und Harald Schindel. Außerdem wurden Ersatzmitglieder benannt.

Der Parteivorstand rief den Beschluss "Personalverantwortung, hauptamtliche Ausübung von Parteiämtern und Erstattung von Aufwendungen an Mitglieder des Parteivorstandes" erneut auf und reagierte damit auch auf zahlreiche Wortmeldungen aus Vorständen und der Basis der Partei zu dem am 29. Mai 2010 gefassten Beschluss. Im neuen – auf der Klausur einmütig bei lediglich drei Enthaltungen gefassten – Beschluss wird festgelegt, dass bei der Vergütung der Funktionen Parteivorsitzende, Bundesgeschäftsführer/innen und Parteibildungsbeauftragte eine Orientierung an den Zulagen des Fraktionsvorsitzenden bzw. der Arbeitskreisleiter/innen der Bundestagsfraktion erfolgt. Es handelt sich somit um die Fortführung der bisherigen Regelung. Ein Ausgleich von Verlusten gegenüber bisherigen Arbeitsverhältnissen ist – anders als noch im Beschluss vom 29. Mai – nicht mehr vorgesehen. Der Beschluss der letzten Sitzung wurde somit korrigiert.

Weitere Beschlüsse des Parteivorstandes, die auf der Klausur gefasst wurden:

  • Aktivitäten der Partei gegen den Afghanistankrieg. Im Beschluss wird festgestellt, dass es in der Friedensbewegung eine neue Phase der Zusammenarbeit und der Kooperation mit entwicklungspolitischen und anderen Organisationen gebe, die auf allen Ebenen durch die Partei unterstützt werden sollten.
  • Erste Umsetzungsschritte "Come together". In dem von den beiden Parteibildungsbeauftragten initiierten Beschluss geht es um die weitere Entwicklung von Ost-West-Partnerschaften zwischen Kreisverbänden und um die Weiterführung der Geschichtsdebatte in der Partei. Ulrich Maurer und Halina Wawzyniak werden sich dazu mit einem Brief an die Kreisvorstände wenden.
  • Vorbereitung der Bundesfrauenkonferenz. Die Konferenz soll am 9. und 10. Oktober 2010 in Leipzig stattfinden, vorgesehen sind dabei Verständigungen zum Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit, zur Programmdebatte und zu Frauenstrukturen in der Partei.
  • Unterstützung der Demonstration "Freiheit statt Angst". Die Partei wird diese Demo in traditioneller Weise unterstützen. Zudem wurde beschlossen, als Vorbereitung einer Datenschutzkonferenz der Partei im Jahr 2011 am 10. September 2010 dieses Jahres ein öffentliches Werkstattgespräch zum Thema "Datenschutz" durchzuführen.
  • Die Fortsetzung der Arbeit der "Arbeitsgruppe finanzpolitisches Konzept" und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe zur Führung der "Dachkampagne Antiprivatisierung".

Mit solidarischen Grüßen
Caren Lay und Werner Dreibus