Sofortinformation - Sitzung am 15. und 16. Oktober 2011
Liebe Genossinnen und Genossen, die Beratung begann am Samstag, dem 15. Oktober, mit der aktuellen Verständigung. Zunächst ging es um die Proteste gegen die Finanzmärkte und für echte Demokratie, zu denen am 15. Oktober 2011 weltweit unter dem Motto "Real democracy now" aufgerufen worden ist. Auch in Deutschland fanden zahlreiche Aktionen statt. Sie richteten sich gegen die Politik, immer neue Rettungsschirme für Banken und Spekulanten aufzuspannen, um vorgeblich verschuldeten Ländern zu helfen. Geschont werden die Verursacher der Finanzkrise, die internationalen Finanzspekulanten, die Großbanken und die Finanzfonds. Zahlen sollen die Beschäftigten, die Erwerbslosen, Rentnerinnen und Rentner, kurz: die Steuerzahler. DIE LINKE begrüßt und unterstützt die Proteste im Interesse der großen Mehrheit der Menschen und wird sich auch in den kommenden Wochen und Monaten dafür stark machen. Der Parteivorstand verabschiedete eine Resolution zu den Protesten und beschloss, seine Sitzung am Mittag des 15. Oktober für eine Stunde zu unterbrechen um sich der Demonstration in Berlin anzuschließen.
Mit Annahme der Vorlage "Solidarität mit den Anständigen" beschäftigte sich der Parteivorstand damit, dass die Abgeordnetenimmunität der Vorsitzenden der Linksfraktionen in den Landtagen von Thüringen und Sachsen, Bodo Ramelow und André Hahn, wegen ihres friedlichen Widerstands gegen den Naziaufmarsch im Februar 2010 in Dresden aufgehoben worden ist, um strafrechtlich gegen sie vorgehen zu können. Ähnliche Pläne gibt es gegen die Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im hessischen Landtag, Janine Wissler und Willi van Ooyen. Hinzu kommen ähnliche Verfahren wegen der Beteiligung an den Blockaden 2011 u.a. gegen die Bundesgeschäftsführerin Caren Lay. Der Parteivorstand verurteilt die Aufhebung der Immunität auf das Schärfste und erklärt sich solidarisch mit Wissler, Ramelow, Hahn, van Ooyen und allen anderen. Er fordert die Einstellung der Verfahren und ruft Mitglieder und Sympathisanten auf, sich auch an den Anti- Nazi-Protesten in Dresden im Februar 2012 wieder zu beteiligen.
Gesine Lötzsch informierte über einen Brief, den sie gemeinsam mit Gregor Gysi und Klaus Ernst zum Thema Euro-Rettungsschirm an die Bundeskanzlerin geschrieben hat. Darin geht es unter anderem um die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie mit ihrem Geld für die Bewältigung der Euro-Krise haften sollen. Die drei Autoren geben ihrer Erwartung Ausdruck, dass im Haftungsfall des Euro-Rettungsschirms Löhne, Renten und Sozialleistungen nicht gekürzt, Massensteuern nicht erhöht werden und das Geld der Sparerinnen und Sparer sicher ist.
Ulrich Maurer setzte den Parteivorstand darüber in Kenntnis, dass DIE LINKE im Bundestag für 17. und 18. November 2011 in Frankfurt am Main mehrere Veranstaltungen zum Thema Euro-Krise mit internationaler Beteiligung organisiert. Zum Abschluss ist am 18. November eine öffentliche Kundgebung im Frankfurter Bankenviertel geplant.
Caren Lay berichtete von der Bundesfrauenkonferenz und dem Frauenplenum, die am 24. und 25. September 2011 in Magdeburg stattgefunden haben und sich unter dem Motto "Aufstehen. Einmischen. Verändern" den aktuellen Aufgaben sozialistisch-feministischer Politik und den Leitanträge zum Programm und zur Satzung für den Bundesparteitag im Oktober dieses Jahres in Erfurt widmen.
Nach der aktuellen Verständigung wurden unter dem Titel "Altersarmut verhindern, Lebensstandard sichern" die rentenpolitische Eckpunkte der Partei DIE LINKE aufgerufen. Auf Deutschland rollt eine Welle der Altersarmut zu. Die Akzeptanz der Gesetzlichen Rentenversicherung als beitragsfinanziertes Sozialversicherungssystem gerät in Gefahr, wenn dieses System durchschnittlich verdienenden Beitragszahlern nach einem langen Erwerbsleben kein Alterseinkommen oberhalb des Sozialhilfeniveaus in Aussicht stellen kann. neben der Bekräftigung unserer zentralen rentenpolitischen Forderungen im Sinne eines Lebensstandard-orientierten Rentensystems (Weg mit der Rente ab 67, zurück zur alten Rentenformel, Rücknahme der Rentenkürzungen, gegen die Privatisierung der Altersversorgung, Ost-West-Angleichung) beschäftigte sich der Parteivorstand mit seinem Konzept zur Mindestrente. Im Ergebnis soll kein Mensch eine Rente unter 900 Euro erhalten. Für menschen ohne 25 Jahre Beitragszeiten wird eine Bedarfsprüfung durchgeführt.
Im Mittelpunkt der zweitägigen Parteivorstandssitzung stand die Vorbereitung des Programmparteitages in Erfurt vom 21. bis zum 23. Oktober 2011. Dazu lagen dem Parteivorstand alle Anträge und Änderungsanträge vor, die in den Abstimmungsheften 1 bis 4 zusammengefasst sind. Außerdem hatte die Redaktionskommission eine Vorlage erarbeitet, die alle Änderungsanträge, deren Behandlung von der Antragskommission empfohlen worden ist, sowie die Vorschläge der Redaktionskommission für Übernahmen in den Leitantrag des Parteivorstandes enthält. Weit über 1000 Änderungsanträge waren auf 139 A4-Seiten zusammengefasst, die der Parteivorstand Seite für Seite, Zeile für Zeile durchging. Schwerpunkte der Änderungsanträge waren unter anderem die Bedeutung der Eigentumsfrage, der Öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, das bedingungslose Grundeinkommen, die Sicherung im Alter, eine Kindergrundsicherung, die Entwicklung und Förderung Ostdeutschlands, das Verhältnis von Staat und Kirche, die solidarische Erneuerung und Weiterentwicklung der EU, die Demokratisierung der UNO. Der Parteivorstand hat zahlreiche Ergänzungen und Präzisierungen vorgenommen. An den zentralen Kompromissen hat es keinerlei Veränderungen gegeben.
Am Sonntag, dem 16. Oktober, setzte der Parteivorstand zunächst seine Diskussion der Änderungsanträge zum Programmentwurf fort.
Es schloss sich eine Diskussion über die Änderungsanträge zu den Leitanträgen zur Satzung und zu den Ordnungen der Partei DIE LINKE an.
Den Abschluss der Vorbereitung des Bundesparteitages bildete eine Verständigung zu weiteren Anträgen an den Parteitag (R-, G- und P-Anträge).
Als nächstes standen die "Positionen der Partei DIE LINKE zur Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik" auf der Tagesordnung. Der Parteivorstand beschloss, sich auch in Zukunft für die Angleichung der Lebensverhältnisse innerhalb der Europäischen Union einzusetzen. Unsere Europapolitik soll Regionen mit gravierendem Entwicklungsrückstand stärken und zugleich die Stabilität in allen anderen Regionen stützen. Die Weiterentwicklung der EU-Strukturförderung muss dabei den Erfordernissen sozialer Gerechtigkeit, des Klimaschutzes, der Energiewende und der Rüstungskonversion gerecht werden sowie den ökologischen Umbau und den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge stimulieren. Zusätzliche Mittel müssen durch Einsparungen bei den Militärausgaben – unter anderem durch die Schließung der Europäischen Rüstungsagentur – freigesetzt werden. Die Transparenz der Förderpolitik und der damit verbundenen Geldströme muss für die Öffentlichkeit gewährleistet werden.
Der Parteivorstand traf einige Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Mitgliederentscheid zum Parteiprogramm. Er wird vom 17. November bis zum 15. Dezember 2011 stattfinden. Die Mitglieder werden über folgenden Text abstimmen: "Ich stimme dem auf der 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei DIE LINKE am 22. Oktober 2011 in Erfurt beschlossenen Programm der Partei DIE LINKE zu." Die Auszählung beginnt parteiöffentlich am 18. Dezember 2011 um 10 Uhr in der Bundesgeschäftsstelle.
Der Parteivorstand stimmte der finanziellen Beteiligung an einem wissenschaftlichen Kolloquium zu, das am 26. November im ND-Gebäude zu dem Thema "Theorie, ja bitte!" – Faschismus und Antifaschismus. Historische Erkenntnisse und neue Anforderungen an linke Politik" stattfinden wird.
Auf der Tagesordnung der Beratung des Parteivorstandes standen auch erste Absprachen für die Beratung der Kreisvorsitzenden im Jahr 2012. Sie wird am 17. März 2012 voraussichtlich wieder in Hannover – alternativ in Schleswig-Holstein – stattfinden. Mit der Vorbereitung beauftragt der Parteivorstand eine Arbeitsgruppe aus Kreisvorsitzenden und Mitgliedern des Parteivorstandes. Zur Kenntnis nahm der Parteivorstand die Anzeige der "Bundesarbeitsgemeinschaft Migration, Integration und Antirassismus" als bundesweiter Zusammenschluss entsprechend Bundessatzung § 7 (2).
Mit solidarischen Grüßen
Caren Lay und Werner Dreibus