Sofortinformation - Sitzung am 20. und 21. März 2011

Liebe Genossinnen und Genossen, vor Eintritt in die Tagesordnung gedachten die Mitglieder des Parteivorstandes mit einer Schweigeminute unseres Genossen Sascha Wagener, der am 14. März im Alter von nur 33 Jahren durch einen tragischen Unfall starb. Sascha Wagener war maßgeblich an der Gründung des Jugendverbandes Linksjugend ['solid] der neuen Partei DIE LINKE beteiligt. Er gehörte dem letzten Parteivorstand der Linkspartei.PDS und dem ersten Parteivorstand der LINKEN als jugendpolitischer Sprecher an. Er war zunächst in der damaligen PDS in Trier, Rheinland-Pfalz, aktiv, dann in Berlin und Brandenburg im Jugendverband. Er engagierte sich besonders auf der europäischen Ebene und begann – als Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung – eine Promotion über die europäischen Linksparteien. Später zog er nach Sachsen auf die Festung Königstein und betätigte sich kommunalpolitisch, vor allem im Kampf gegen alte und neue Nazis und dann auch als Fraktionsvorsitzender der LINKEN in Pirna. Zuletzt war er in Freiburg, Baden-Württemberg, im Landtagswahlkampf aktiv. An seinem vielfältigen Engagement wird schon deutlich, welch große Lücke er hinterlässt. Er wird uns sehr fehlen.

In der aktuellen Verständigung tauschte sich der Parteivorstand zur Situation in Nordafrika aus und verabschiedete dazu einstimmig eine Resolution. Kernpunkt der Diskussion war: Krieg darf kein Mittel der Politik sein, weder in Libyen noch in Afghanistan! Kurzfristig hatte die Bundesgeschäftsstelle (dafür ein herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bereiches Bürgerdialog/Medien/Öffentlichkeitsarbeit sowie Organisation und Dienstleistungen!) für Samstag, 20. März, 11 Uhr, vor dem Brandenburger Tor eine Kundgebung gegen den Krieg in Libyen organisiert. Der Parteivorstand unterbrach deshalb seine Beratung, damit sich alle anwesenden PV-Mitglieder an dieser Kundgebung beteiligen konnten.

Nach der Wiederaufnahme der Vorstandsberatung stand der Punkt Jugendpolitik und Jugendarbeit auf der Tagesordnung. Mitglieder des parteinahen Jugendverbandes Linksjugend ['solid] und des linken Sozialistisch Demokratischen Studierendenverbandes (DIE LINKE. SDS) stellten ihre Strukturen, ihre Arbeit und Projekte des letzten Jahres sowie die Planungen für 2011 vor.

Im Anschluss beschloss der Parteivorstand vorläufig den vom Bundesschatzmeister vorgelegten Finanzplan 2011 und entschied, ihn nach einer Generalrevision im Mai 2011 erneut zu behandeln. Steffen Harzer führte in den Tagesordnungspunkt Kommunalpolitik ein. Gemeinsam mit Axel Troost und Dagmar Zoschke hatte er einen Antrag eingebracht, dessen Grundtenor ist, die kommunalpolitischen Leitlinien der Linkspartei.PDS im Rahmen der Programmdebatte fortzuschreiben und zu aktualisieren sowie bei allen Grundsatzentscheidungen die Auswirkungen auf Kommunen zu prüfen und darzustellen. Ein Ziel des Antrages ist, den Stellenwert der Kommunalpolitik innerhalb der Partei weiter zu stärken. Es schloss sich eine qualifizierte Debatte an, in der sich eine Reihe von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern zu Wort meldeten, und zwar sowohl Parteivorstandmitglieder als auch eigens zu diesem Thema angereiste Gäste. Dazu gehörten Dagmar Pohle (Bürgermeisterin Berlin-Marzahn/Hellersdorf), Simone Luedtke (Oberbürgermeisterin Borna) und Lutz Amsel (2. Beigeordneter Märkisch-Oderland).

Als letzter Tagesordnungspunkt des ersten Beratungstages wurde der Themenschwerpunkt der Programmdebatte: Feminismus aufgerufen. Auch dazu hatte der Parteivorstand Gäste als Referentinnen eingeladen: Kersten Artus (Mitglied der hamburgischen Bürgerschaft, Fachsprecherin für Frauen-, Gewerkschafts-, Medien- und Gesundheitspolitik), Prof. Dr. Frigga Haug (Vorsitzende des Berliner Institut für kritische Theorie), Regina Stosch (Sprecherin der BAG Gesundheit und Soziales, Mitglied der Kommission politische Bildung, Mitglied des Landesvorstandes der LINKEN in Bayern) sowie Christiane Reymann (BAG LISA). Die Diskussion konzentrierte sich darauf, wie der Programmentwurf der LINKEN aus feministischer Perspektive überarbeitet werden kann. Dazu wurde eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die in die weitere programmatische Debatte einfließen werden.

Am Montag, dem 21. März 2011, begann die Sitzung des Parteivorstandes mit dem Tagesordnungspunkt Industriepolitik und Wirtschaftsdemokratie. Auch dabei handelt es sich um ein zentrales Thema der Programmdiskussion. Die Wirtschaftsdemokratie ist als Alternative zum Wirtschaftskapitalismus, als Element der durchgehenden Demokratisierung der Wirtschaft eine zentrale Frage des demokratischen Sozialismus. Realität ist zurzeit, dass nicht die Politik, sondern die Wirtschaft über die Geschicke des Landes entscheidet. Wir brauchen wieder die Dominanz der Demokratie über die Ökonomie. Es muss endlich wieder im Interesse der Mehrheit in unserem Land entschieden und gehandelt werden. Heinz Bierbaum, der für diesen Tagesordnungspunkt verantwortlich zeichnete, schlug vor, im September dieses Jahres eine Konferenz zum Thema "Wirtschaftsdemokratie" durchzuführen. Darin soll in Arbeitsgruppen zu den Themenschwerpunkten "Gesamtwirtschaftliche Regulierung und volkswirtschaftliche Rahmenplanung", "Industrie-, Branchen- und Strukturpolitik" und "Unternehmensverfassung, Mitarbeiterbeteiligung, Genossenschaften" diskutiert werden.

Um 11 Uhr begrüßte der Parteivorstand den Spitzenkandidaten der LINKEN in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, und den Landesvorsitzenden der LINKEN in Sachsen-Anhalt, Matthias Höhn. Beide erhielten die herzlichen Glückwünsche des Parteivorstandes für das gute Landtagswahlergebnis am Sonntag, dem 20. März. DIE LINKE konnte ihren zweiten Platz vor der SPD behaupten. Sie wird der SPD Sondierungsgespräche anbieten. Es ist an ihr, Forderungen wie die nach der Einführung von Mindestlöhnen und Tarifbindung im Vergaberecht, nach längerem gemeinsamem Lernen oder nach gleichen Chancen für jedes Kind umzusetzen. Auch die SPD muss sich an die Gepflogenheiten der Demokratie gewöhnen, nach denen der stärkere Koalitionspartner den Ministerpräsidenten stellt. Besonders positiv ist zu bewerten, dass DIE LINKE die Zahl ihrer absoluten Stimmen erhöhen konnte und der Abstand zur führenden CDU verringert wurde. Ebenso freute sich der Parteivorstand, dass die Wählerinnen und Wähler die rechtsextremistische NPD nicht in den Landtag gewählt haben.

Im Zusammenhang mit diesen Wahlen und mit unseren zentralen Forderungen in den Wahlkämpfen wurden ebenfalls die aktuellen Entwicklungen diskutiert. An erster Stelle stand der Krieg in Libyen, wo seit zwei Tagen gebombt wird, nachdem die UNO eine Flugverbotszone beschlossen hat. Die Bundesregierung hat sich im UN-Sicherheitsrat zwar enthalten, diese Enthaltung aber ist taktischer Natur. Deutschland hilft wieder, Krieg zu führen, indem die Regierung die NATO in Afghanistan entlastet und Überflugrechte gewährt. DIE LINKE bleibt dabei: Deutschland darf sich nicht am Krieg gegen Libyen beteiligen und soll die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen. Dies war auch Tenor der Reden unserer beiden Parteivorsitzenden auf der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am Vortag.

Ebenso große Aufmerksamkeit widmete der Parteivorstand der Katastrophe in Japan. Es ist nicht akzeptabel, dass die Atomlobby auch jetzt noch der Bundesregierung ihre Bedingungen diktiert. Jüngstes Beispiel ist, dass Kernkraftwerkbetreiber eine Klage gegen das Atom-Moratorium der Regierung angekündigt haben. DIE LINKE fordert den sofortigen und unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomkraft. Wir wollen, dass im Grundgesetz festgeschrieben wird: Die Bundesrepublik Deutschland verzichtet künftig auf die Nutzung von Kerntechnik für militärische Zwecke, auf die Energiegewinnung durch Atomkraft, auf den Import von Atomstrom und auf den Export von Atomkraftwerken. Und wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger in den Bundesländern in die Entscheidungen zur weiteren Nutzung von Atomkraft einbezogen werden. Unter dem Titel Solidarität mit den Menschen in Japan - Atomkraftwerke sofort abschalten! verabschiedete der Parteivorstand dazu eine Resolution.

Wulf Gallert und Matthias Höhn bedankten sich bei allen – mit dem ausdrücklichen Wunsch, dies in die Landesverbände, an den Jugendverband und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Karl-Liebknecht-Hauses weiterzugeben –, die DIE LINKE in Sachsen-Anhalt im Wahlkampf unterstützt haben. Insbesondere der Straßenwahlkampf – konzentriert auf die letzte Woche vor der Wahl – wäre ohne Unterstützung so nicht möglich gewesen. Wulf Gallert und Matthias Höhn informierten den Parteivorstand über in den nächsten Tagen anstehende Gespräche mit den Sozialdemokraten und das weitere Vorgehen in Sachsen-Anhalt.

Beschlossen wurde die Vorlage "Aufruf zu den Ostermärschen 2011". DIE LINKE ruft alle Mitglieder, Sympathisanten und Sympathisantinnen der Partei auf, sich auch 2011 an den Ostermärschen und Aktionen der Friedensbewegung zu beteiligen.

Zustimmung fand auch ein Aufruf zum Aktionstag 25. April 2011 anlässlich des 25. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl. Die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl erinnert daran, was sich jetzt auch in Japan zeigt: Die Atomkraft ist nicht beherrschbar.

Mit der Vorlage 10 Jahre Afghanistankrieg – DIE LINKE bleibt dabei: Bundeswehr raus aus Afghanistan beschloss der Parteivorstand die Beteiligung der LINKEN an der Vorbereitung zu den Protesten gegen die Afghanistan-Konferenz Ende November in Bonn. Die Bundesregierung will mit dieser Konferenz – zehn Jahre nach der deutschen Zustimmung zu diesem Krieg – ihr "dauerhaftes Engagement glaubwürdig begründen".

Die doppelten Abiturjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht – wie bereitet sich DIE LINKE darauf vor? Auch diesem Antrag stimmte der Parteivorstand zu. Durch die doppelten Abiturjahrgänge und die Aussetzung der Wehrpflicht wird sich die ohnehin angespannte Situation an den bundesdeutschen Hochschulen zuspitzen. Im Zeitraum 2010 bis 2015 werden bis zu 275 000 zusätzliche Studienanfänger erwartet. Durch das Aussetzen der Wehrpflicht werden zum Wintersemester 2011/2012 weitere 60 000 Schulabgänger erwartet. Der Parteivorstand beschloss mit der Annahme der Vorlage, eine Arbeitsgruppe zu beauftragen, die Situation an den Hochschulen zu analysieren, über die Ergebnisse regelmäßig zu berichten und daraus weitere Schritte abzuleiten.

Der Parteivorstand unterstützt mit der Annahme der Vorlage "Come together in 2011" den weiteren Erfahrungsaustausch zwischen Ost- und Westlandesverbänden.

Auch die Gewinnung neuer, insbesondere auch weiblicher Mitglieder für DIE LINKE stand auf der Tagesordnung. Der Parteivorstand bekräftigte das Ziel, der Gewinnung neuer Mitglieder in den kommenden Monaten höchste Priorität und dabei der Gewinnung weiblicher Mitglieder besondere Bedeutung beizumessen.

Mit einer Informationsvorlage an den Parteivorstand machte die Bundesgeschäftsführerin Caren Lay darauf aufmerksam, dass unserer Partei mit der Verleihung des Clara-Zetkin-Frauenpreises 2011 ein ermutigender Erfolg und überzeugender Beitrag für die Würdigung von Frauenleistungen gelungen ist. Aus den fast 100 Bewerbungen und Vorschlägen hatte die Jury die sozialistische Feministin und Journalistin Florence Hervé und das Projekt "Discover football" als Preisträgerinnen ausgewählt.

Der Parteivorstand nahm weiterhin eine Informationsvorlage zur Auswertung der Anti-Nazi-Proteste in Dresden am 13. und 19. Februar 2011 zur Kenntnis. Weiterhin wurde beschlossen, die Mai-Sitzung des Parteivorstandes dreitägig, d.h. von Samstag bis Montag, durchzuführen.

Solidarische Grüße

Caren Lay und Werner Dreibus