Sofortinformation - Sitzung am 25. und 26. September 2010

Liebe Genossinnen und Genossen, in der aktuell-politischen Verständigung befasste sich der Parteivorstand zunächst mit den Protesten gegen den Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs und verabschiedete dazu einstimmig eine Resolution. Darin heißt es unter anderem: "DIE LINKE unterstützt die Massenproteste gegen Stuttgart 21". Sie setzt darauf, dass die von ihr ausgehenden Impulse in der Anti-Atombewegung und insbesondere bei den Krisenprotesten der Gewerkschaften im Herbst aufgegriffen werden und zu nachhaltigen Veränderungen des politischen Systems im Sinne von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit führen werden."

Einstimmig beschloss der Parteivorstand die Bildung einer externen Kommission von Expertinnen und Experten zur Berechnung eines verfassungskonformen Regelsatzes für die Mindestsicherung. In dieser Kommission zur Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sollen Vertreter/innen der LINKEN sowie von Gewerkschaften und Sozialverbänden, Wissenschaftler/innen und Betroffene mitarbeiten. Mit der Einberufung der Kommission wird der Geschäftsführende Parteivorstand beauftragt.

Des Weiteren stimmte der Vorstand mehrheitlich der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu, die Vorschläge für eine künftige Regelung der Vergütung von hauptamtlich ausgeübten Parteiämtern auf Bundes- und Landesebene erarbeiten und vorlegen soll. Gleichzeitig beauftragte der Parteivorstand den Geschäftsführenden Parteivorstand, Genossinnen und Genossen konkret um ihre Mitarbeit in der AG Vergütung zu bitten und die Arbeitsgruppe einzuberufen.

Weiterhin verständigte sich der Vorstand zum Verlauf der Programmdebatte und zur Vorbereitung des Programmkonvents in Hannover. Da dort zeitgleich zum ursprünglich geplanten Termin 6. November 2010 eine große DGB-Kundgebung für gerechte Politik und gegen soziale Kälte sowie Castor-Proteste geplant sind, hat der Parteivorstand beschlossen, den Programmkonvent um einen Tag zu verschieben. Er wird nun am 7. November in Hannover stattfinden, damit DIE LINKE auf den Demonstrationen präsent sein kann. Zum Tagesordnungspunkt Beratung zu den politischen Schwerpunkten begrüßte der Parteivorstand als Gast den Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, der über die geplanten Herbstproteste, an denen alle Einzelgewerkschaften beteiligt sind, gegen das unsoziale Kürzungsprogramm der Bundesregierung berichtete.

Zu beobachten ist, dass der Gerechtigkeitsdiskurs wieder nach vorn drängt. Er trifft auf eine Regierung, die reine Lobbypolitik, eine Politik krasser sozialer Einseitigkeit betreibt, die selbst in traditionellen Wählermilieus der CDU nicht mehr vermittelbar ist. Unten belasten, oben entlasten – das ist die Devise der Regierung. Für den Herbst planen die Gewerkschaften eine große Zahl von Aktivitäten. Und zwar innerhalb und außerhalb von Betrieben.

In einer angeregten Diskussion diskutierten die Mitglieder des Parteivorstandes mit Frank Bsirske zu den Auswirkungen des Kürzungspakets der Regierungskoalition, zur Rente erst ab 67, zur Notlage der Kommunen und zur Gesundheitsreform.

DIE LINKE wird neben dem Kampf gegen die Auswirkungen des Kürzungspakets der Bundesregierung die Themen Gesundheit, Rente ab 67, Mindestlohn und die Hartz-Gesetzgebung ins Zentrum ihrer Herbstaktivitäten stellen. Sie wird sich deutlich sichtbar an den Gewerkschaftsprotesten beteiligen. DIE LINKE im Bundestag wird Anträge zur Abschaffung der Praxisgebühr und gegen die Rente erst ab 67 einbringen.

Gewerkschaften und Partei stehen vor der Herausforderung, sich über Aktionsformen zu verständigen und möglichst viele Menschen für den Protest gegen die Politik des sozialen Kahlschlags der Bundesregierung zu mobilisieren. Frank Bsirske betonte dabei die Notwendigkeit für DIE LINKE, sich verstärkt des Themas Bündnisse – auch mit der SPD – anzunehmen.

Zum Abschluss der Diskussion bekräftigen die Parteivorsitzenden die Unterstützung der LINKEN bei den Herbstprotesten der Gewerkschaften. DIE LINKE ruft ihre Mitglieder auf, sich an diesen Protesten zu beteiligen.

Der nächste Tagesordnungspunkt stand unter dem Titel Zur Strategie der LINKEN. Dazu empfing der Parteivorstand den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, als Gast.

Er machte darauf aufmerksam, dass die Partei aus der derzeit ernsten Situation nur herauskommen wird, wenn sie ihre Zerstrittenheit überwindet. Das Umfeld, in dem die Partei sich bewegt, hat sich verändert. Abzuwarten bleibt, wie sich die Strategie der SPD entwickeln wird. Schwarz-Gelb setzt den Sparkurs fort und radikalisiert ihn noch. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Lager wieder auferstanden. DIE LINKE muss im Kampf gegen die Agenda-Politik nicht mehr nur Korrektiv, sondern vor allem Motor sein. SPD und Grüne haben in ihrer Regierungszeit für die Politik des Abbaus des Sozialstaates die Funktion des Türöffners übernommen.

Im nächsten Jahr werden sechs Landtagswahlen stattfinden. Deren Ergebnisse stehen in unser aller Verantwortung. Wählerinnen und Wähler müssen wissen, welche Rolle wir in der Gesellschaft spielen. Wir sind in die Politik gegangen, um die Gesellschaft zu verändern. Dieser Gedanke muss unser Handeln dominieren.

Die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch sieht eine Aufgabe des Parteivorstandes auch darin, nicht nur selbst selbstbewusst zu sein, sondern auch der Partei Selbstbewusstsein zu geben. Sie machte darauf aufmerksam, dass wir in allen zentralen Themenfeldern, die unsere Partei in den vergangenen Jahren stark gemacht haben, weiterhin klare Positionen vertreten. DIE LINKE wird – dafür spricht auch die Stabilität in ihren Umfragewerten – nach wie vor dringend gebraucht. Die Inhalte, mit denen wir zur Wahl angetreten sind, gelten noch immer. Sie müssen umgesetzt werden, denn noch gibt es keinen Mindestlohn, dafür aber noch immer Hartz IV und die Praxisgebühr. Nach wie vor befindet sich die Bundeswehr in Kriegseinsätzen. Wir müssen nicht nur über die Beziehungen zu anderen Parteien, sondern vor allem auch über die Beziehungen zu unseren Wählern nachdenken.

Der Parteivorsitzende Klaus Ernst bescheinigte unserer bisherigen Strategie Erfolg, weil wir uns auf vielen Politikfeldern von allen anderen Parteien unterschieden haben. Unsere Hauptthemenfelder bleiben die Sozialpolitik, die Hartz-Gesetze, der Mindestlohn, die soziale Gerechtigkeit und die Friedenspolitik. Bei Hartz haben wir ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, denn keine der anderen Parteien lehnt diese Gesetze ab.

Die wichtigste Frage der nächsten Jahre ist die Regulierung der Finanzmärkte. Da hat die Regierung keinerlei Idee, wird kein bisschen initiativ. Die unteren Einkommensschichten werden zur Kasse gebeten, die Reichen nicht. Unternehmen sind glänzend aus der Krise hervorgegangen, die Gewinne sprudeln, die Zahl der Millionäre steigt. Trotz eines scheinbaren Aufschwungs nimmt nicht die Zahl regulärer Arbeitsplätze, sondern die von Leiharbeit und im Niedriglohnsektor zu. Zusätzlich gibt es eine Debatte um Migranten, die zu Sündenböcken gemacht werden sollen. Die Bundeswehr entwickelt sich in Richtung Interventionsarmee. Was tun andere Parteien? Die FDP ist im Keller, sie hat total überzogen. Bürgerinnen und Bürger sind gegen Steuersenkungen gewesen. CDU/CSU haben die Krise schlecht bewältigt. Die Menschen haben ein starkes Gefühl der Ungerechtigkeit. Die SPD ändert ihren rentenpolitischen Kurs nicht, sie bleibt bei der Rente ab 67, verschiebt lediglich das Einstiegsdatum, nicht aber das Enddatum 2029. Bei der Bewältigung der Krise ist die SPD auf dem Standpunkt, die Lasten müssten sozial ausgewogen geschultert werden. Wir aber bestehen auf dem Verursacherprinzip. Die Grünen legen sich gar nicht fest und können demzufolge auch nichts falsch machen.

In der weiteren Debatte wurde besonders die Frage der Demokratie aufgeworfen. Den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Macht und politischer Entscheidung hat keine andere Partei so deutlich gemacht wie DIE LINKE. Wir müssen diskutieren, auf welcher Grundlage wir uns in Europa bewegen. Soziale Grundrechte müssen Vorrang vor den Wirtschaftsinteressen haben. Wir müssen sämtliche Themen auch mit der sozialen Frage verbinden. Darin zeigt sich die Notwendigkeit, warum es DIE LINKE geben muss.

Fast alle Mitglieder des Parteivorstandes beteiligten sich an der Diskussion und vereinbarten, die strategische Debatte fortzusetzen.

Der Parteivorstand beschloss außerdem mit großer Mehrheit die personelle Zusammensetzung der Internationalen Kommission beim Parteivorstand DIE LINKE unter Leitung von Oskar Lafontaine. Der Parteivorstand diskutierte über eine Vorlage zum Stellenplan der Bundesgeschäftsstelle und votierte einstimmig dafür. Die Struktur des Karl-Liebknecht-Hauses wird – an den aktuellen Bedürfnissen orientiert – verändert. Das bisherige Team West und der Bereich Parteientwicklung werden in den Bereich Kampagnen/Parteientwicklung - unter Beibehaltung bereichsübergreifender Kampagnengruppen - fusioniert, da wir unsere Kampagnenfähigkeit erhöhen wollen. Und auch die Öffentlichkeitsarbeit, die künftig Bürgerdialog/Medien/Öffentlichkeitsarbeit heißen wird, erhält Verstärkung. Der bisherige Bereich Strategie und Politik wird in Strategie umbenannt. Die Zuständigkeit für Wahlen geht in die Verantwortung der Bundesgeschäftsführung über. Mit allen Beteiligten ist zuvor über die Veränderungen gesprochen und ihre Zustimmung eingeholt worden.

Als Informationsvorlage hatte der Bundesschatzmeister dem Parteivorstand den Rechenschaftsbericht der Partei für das Jahr 2009 zur Kenntnis gegeben, der am 27. September 2010 fristgemäß dem Bundestagspräsidenten übergeben wurde.

Als vorletzten Tagesordnungspunkt behandelte der Parteivorstand das Thema Bundesparteitage. Bei einer Enthaltung folgte er dem Vorschlag der Satzungskommission, einen dreitägigen Parteitag einzuberufen, auf dem einen Tag lang Satzungsfragen und zwei Tage lang der Entwurf des Parteiprogramms behandelt werden sollen.

Die Bundesgeschäftsführung informierte darüber, dass es für Frauen, die an der Bundesfrauenkonferenz "Love me, gender!" am 9. und 10. Oktober 2010 in Leipzig teilnehmen möchten, bei Bedarf und auf Antrag eine Fahrtkostenerstattung aus dem Budget der Bundesgeschäftsführerin und des Bundesgeschäftsführers geben kann.

Weitere Beschlüsse des Parteivorstandes, die auf der Klausur gefasst wurden:

  • Unterstützung der Aktionen gegen Atomkraft Im Beschluss wird festgestellt, dass eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung gegen die Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken ist. DIE LINKE unterstützt die Anti-AKW-Bewegung und ruft ihre Mitglieder dazu auf, sich an den Protesten gegen den Castor im November zu beteiligen.
  • Sozialkahlschlag stoppen – Kürzungen verhindern Mit diesem Beschluss ruft der Parteivorstand zu Protesten gegen soziale Missstände und das Kürzungspaket in den Ländern und Kommunen auf.
  • Für soziale Alternativen statt Rente ab 67 Die Rente erst ab 67 wird Bestandteil der Herbst-Proteste sein, und auch DIE LINKE wird dagegen auf die Straße gehen. Die Linksfraktion im Bundestag ist außerdem aufgefordert, die außerparlamentarischen Proteste mit neuen parlamentarischen Initiativen zu begleiten.
  • Beteiligung an Aktivitäten zum Anti-NATO-Protest Zu diesem Beschluss, die Anti-NATO-Proteste zu unterstützen, wird Wolfgang Gehrcke eine Zusammenstellung aller geplanten Aktionen und Aktivitäten vorlegen.
  • Friedenspolitische Schwerpunkte 2011 Der Kampf gegen den Krieg ist eine Kernaufgabe der Partei DIE LINKE. Der Parteivorstand hat mit diesem Beschluss Arbeitsschwerpunkte für das Jahr 2011 vereinbart.
  • Schluss mit Geheimverträgen Mit der mehrheitlichen Zustimmung zu dieser Vorlage sprach sich der Parteivorstand für die öffentliche Kontrolle öffentlicher Angelegenheiten aus.
  • Migration und Integration Die Beschlussvorlage stand unter dem Titel Nicht gegeneinander ausspielen lassen – Niemanden ausgrenzen – Politik sozialer Gleichstellung.
  • Stärkung der Tarifmacht Mit diesem Beschluss bekräftigt DIE LINKE ihre Unterstützung für starke Gewerkschaften, die nur mit hoher Durchsetzungskraft die Interessen der Beschäftigten vertreten können.
  • Pilotveranstaltung "Geschichten erzählen" im Rahmen der Umsetzung des "Come-Together-Papiers" Der Parteivorstand beschloss einstimmig die erste Veranstaltung am 4. Dezember 2010 in Magdeburg.

Mit solidarischen Grüßen

Caren Lay
Bundesgeschäftsführerin