Sofortinformation - Sitzung am 30. und 31. Oktober 2010
In der aktuell-politischen Verständigung stand als erster Punkt der Parteivorstandssitzung das Thema Stuttgart 21 auf der Tagesordnung. Als Gast begrüßte der Parteivorstand dazu Werner Sauerborn, Mitinitiator der „Initiative GewerkschafterInnen gegen Stuttgart 21“. Er bedankte sich im Namen all derjenigen, die am frühen Morgen des 26. Oktober mit einem Sonderzug aus Stuttgart in Berlin angekommen waren, sehr herzlich für den Empfang durch DIE LINKE. Diese hatte mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an der Spitze die Gäste kurz nach sieben Uhr mit Kaffee und Gebäck am Hauptbahnhof empfangen.
Darüber hinaus informierte Werner Sauerborn über die soziale Zusammensetzung des Protests gegen Stuttgart 21, über politische Präferenzen der Demonstranten, über die mediale Wahrnehmung und Widerspiegelung. Konsens aller Teilnehmer ist und bleibt, den Protest friedlich zu gestalten. Die nächste Großdemonstration ist für den 11. Dezember in Stuttgart geplant. Werner Sauerborn bat um breite Unterstützung bei dem Aufruf zur Beteiligung.
Stuttgart 21 ist vor allem auch eine soziale Frage. Das Geld, das – gegen den Willen breiter Schichten der Bevölkerung – in ein teures Prestigeobjekt gesteckt wird, wäre an anderen Stellen sehr viel sinnvoller eingesetzt. DIE LINKE wird ein besonderes Augenmerk auf diese Verteilungsfrage legen.
Im Moment liegt die größte Gefahr darin, dass bis März 2011 sehr viele Fakten geschaffen und sich die Kosten dadurch enorm erhöhen werden. Das würde eine Ausstiegsargumentation erschweren. Deshalb ist eine baldige Entscheidung wichtig. Die Bundeskanzlerin hat angekündigt, die kommende Landtagswahl in Baden-Württemberg würde zur Volksabstimmung über Stuttgart 21. Diese Ankündigung muss eigentlich zwingend mit einem Baustopp bis zur Landtagswahl einhergehen.
Wenn die Grünen nach der Wahl in eine schwarz-grüne Koalition gehen, braucht es eine starke LINKE im Landtag, damit sie bei ihren jetzigen Positionen bleiben.
Die Bundesgeschäftsführerin, Caren Lay, informierte über den Stand der Vorbereitung des Programmkonvents am 7. November in Hannover. Es gibt über 800 Anmeldungen. Verabredet ist am Rande des Konvents ein Treffen der Programmverantwortlichen der Länder mit den Mitgliedern der Redaktionskommission.
Des Weiteren wurde der Parteivorstand über Ergebnisse der Bundesfrauenkonferenz, die am 9. und 10. Oktober 2010, in Leipzig stattgefunden hat, in Kenntnis gesetzt. Einstimmig beschlossen wurde dort die Erklärung „Die schwarz-gelben Kürzungspakete bekämpfen – Widerstand vernetzen“, die sich mit den aktuellen unsozialen, ökonomisch unverantwortlichen Kürzungen unter feministischen Gesichtspunkten auseinandersetzt. Außerdem wurde von der Bundesfrauenkonferenz eine Resolution an den Parteivorstand verabschiedet. Hier geht es um das Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit, um die Fortschreibung der Debatte über die Frauenstrukturen sowie die feministische Überarbeitung des Programmentwurfs. Außerdem spricht sich die Bundesfrauenkonferenz dafür aus, dass im Jahr 2011 ein Kongress zu feministischer Ökonomie stattfinden soll.
Klaus Ernst informierte den Parteivorstand darüber, dass die Staatsanwaltschaft Berlin das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels zureichender Anhaltspunkte eingestellt hat. Damit sind die gegen ihn in Teilen der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe über unrechtmäßige Flugkostenabrechnung vom Tisch. Die Vorwürfe konnten widerlegt und Klaus Ernst entlastet werden. Es handelt sich um eine „Einstellung erster Klasse“.
Diskutiert wurde im Parteivorstand auch die gegenwärtige Situation in Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender der Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, berichtete, dass insbesondere die Grünen Neuwahlen provozieren wollen. DIE LINKE strebt keine Neuwahlen an, aber sie fürchtet sie auch nicht. Aktueller Anlass zur Kritik ist der Nachtragshaushalt. Er wird von der LINKEN nicht generell abgelehnt. Sie ist aber nicht bereit, Kernforderungen wie die Abschaffung der Studiengebühren, die Einstellung von mindestens 200 Steuer- und Betriebsprüfern und die Ablehnung, der WestLB weitere 1,3 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, zur Disposition zu stellen.
Unter dem Tagesordnungspunkt 2 diskutierte der Parteivorstand das politische Schwerpunktthema. Konkret ging es um die sechs Landtagswahlen im Jahr 2011. Als Gast begrüßte der Vorstand Michael Vester, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hannover. Er referierte über Wahlstrategie, Wählerpotenzial, Wählerstruktur der LINKEN und stellte dazu Thesen vor. Darin ging er unter anderem auf die Wählerschaft der LINKEN, auf politische Bindungen, auf Mobilisierungspotenziale, auf Handlungspotenziale und Strategien der sozialen Milieus, auf die Positionierung der LINKEN im sozialen Akteursfeld ein. Es schloss sich eine ebenso intensive wie konstruktive Diskussion an.
Unter Berücksichtigung dieser Debatte verständigte sich der Parteivorstand anschließend zur Wahlstrategie 2011, die - mit dem Strategiepapier der Vorsitzenden kompatibel gemacht – im Dezember zur Abstimmung steht.
Bestätigt wurden die Anträge von Landesverbänden der Partei DIE LINKE auf Bereitstellung von Mitteln aus dem zentralen Wahlkampffonds für Wahlkämpfe 2011.
Einstimmig beschloss der Parteivorstand eine Vorlage Luxemburg-Liebknecht-Ehrung am 9. Januar 2011. Er ruft die Mitglieder sowie Sympathisantinnen und Sympathisanten der Partei auf, an der Ehrung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anlässlich des 92. Jahrestages ihrer Ermordung teilzunehmen.
Des Weiteren beschloss der Parteivorstand, drei Arbeitsgruppen zur Parteientwicklung, zur Strategie und zur Wirtschafts- und Finanzpolitik einzurichten, in denen Mitglieder des Parteivorstandes arbeiten werden.
Der Parteivorstand stimmte dem Antrag zu, das Bündnis „Dresden – Nazifrei“ zu unterstützen und dafür eine Projektgruppe für die Mobilisierung und Öffentlichkeitsarbeit einzurichten.
Intensiv diskutierte der Parteivorstand eine Vorlage zur Wahlrechtsreform. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der Gesetzgeber aufgefordert wird, bis zum 30. Juni 2011 das Wahlrecht zu ändern. Dem Gericht ging es vor allem um die Regelung des sogenannten negativen Stimmgewichts. Der Parteivorstand beschloss, mit der weiteren Befassung eine Arbeitsgruppe zu beauftragen.
In einer längeren Debatte ging es dann um das Verhältnis der LINKEN zur Bürgerarbeit. Der Parteivorstand war sich einig in der Ablehnung jeder Form von erzwungener Arbeit als Gegenleistung für Sozialleistungen. DIE LINKE setzt sich für eine repressions- und sanktionsfreie, armutsfeste individualisierte Mindestsicherung ein. Das Netz der sozialen Sicherung darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, die die betroffenen Menschen zum Spielball arbeitsmarktpolitischer Experimente machen. Der Parteivorstand beschloss, die AG Strategie des Parteivorstandes zu beauftragen, sich mit den Themen Bürgerarbeit und Öffentliche Beschäftigung zu beschäftigen.
Zu der Vorlage Konsequenzen aus der Mitglieder- und Beitragsentwicklung
- Aufgabenstellungen und Zusammenarbeit zwischen den Organisationsebenen der Partei unter Einbeziehung der hauptamtlichen personellen Strukturen
- Maßnahmen, um die Aufgaben und die Zusammenarbeit der Organisationsebenen dem tatsächlichen Bedarf anzupassen, und die Entwicklung eines Personalplans
- Soll-Ist-Vergleich der Aufgabenstellungen der verschiedenen Organisationsebenen, Vorschläge, die Aufgabenstellungen zu optimieren
- Projektion der Mitgliederentwicklung und der damit verbundenen Beitragseinnahmen bis zum Jahr 2020
- Vorschläge zur Sicherung der Finanzbasis
Die Parteivorsitzenden werden die Mitglieder der Arbeitsgruppe unter Leitung der Bundesgeschäftsstellenleiterin, Claudia Gohde, benennen.
In Vorbereitung des Kongresses der Partei der Europäischen Linken Anfang Dezember in Paris beschloss der Parteivorstand, den Entwurf des Aktionsprogramms der Europäischen Linken ebenso zu unterstützen wie die Protestaktionen in ganz Europa gegen den sozialen Kahlschlag. Der Parteivorstand erklärte sich solidarisch mit den Protesten in Frankreich und Großbritannien, dem Generalstreik in Spanien, den großen Bewegungen in Italien und Griechenland. DIE LINKE kämpft für ein Europa, das den Krieg ächtet, nationalstaatliches Vormachtstreben und nationale Überheblichkeiten überwindet, für ein Europa, des sozialen Ausgleichs, der kulturellen Vielfalt, der Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger, der Staaten in Europa. DIE LINKE wird ihren Beitrag dazu leisten, dass die Partei der Europäischen Linken eine starke Stimme für eine demokratische, alternative Politik ist, um die Situation auf jeder Ebene – der örtlichen, der nationalen, der europäischen und der globalen – zu verändern. Der Parteivorstand dankte Lothar Bisky für seine Arbeit als Vorsitzender der Partei der Europäischen Linken. Er sprach Christiane Reymann und Helmut Scholz seinen Dank für ihre langjährige Arbeit im Vorstand der EL aus. Der Parteivorstand fordert alle Gliederungen der Partei auf, das politische Engagement unserer Mitglieder in der Partei der Europäischen Linken und ihre verschiedenen Arbeitsstrukturen zu unterstützen. Die Landes-, Kreis- und Ortsverbände werden gebeten, Möglichkeiten zu prüfen, inwieweit sie Partnerschaftsbeziehungen zu den entsprechenden Gliederungen linker Parteien in anderen europäischen Ländern, insbesondere in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik, auf- bzw. auszubauen. Die Internationale Kommission des Parteivorstandes wird gebeten, sie dabei zu unterstützen.
In § 18 der Bundessatzung heißt es unter anderem: Der Parteivorstand unterhält eine Geschäftsstelle am Sitz der Partei. Diese unterstützt die Arbeit des Parteivorstandes, der anderen Organe und Gremien der Bundespartei, der Landesverbände und der bundesweiten Zusammenschlüsse…“ Leiterinnen und Leiter der Bereiche und Büros in der Bundesgeschäftsstelle informierten den Parteivorstand darüber, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Karl-Liebknecht-Haus diese in der Satzung formulierten Aufgaben in der Praxis umsetzen.
Der Parteivorstand nahm zur Kenntnis, dass sich die von ihm eingesetzte Arbeitsgruppe zur Bundeswehrreform gemeinsam mit den Mitgliedern der AG Sicherheitspolitik der Bundestagsfraktion zu einer ersten Diskussion getroffen und sowohl konkrete Arbeitsaufgaben als auch einen Zeitplan festgelegt hat.
Weitere Beschlüsse des Parteivorstandes, die in der Beratung getroffen wurden:
Der Parteivorstand beschloss die Bildung einer Arbeitgebertarifkommission unter Leitung des Bundesschatzmeisters, Raju Sharma. Diese Kommission ist beauftragt, die Tarifverhandlungen mit der Tarifpartnerin ver.di zu führen und den Abschluss eines Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten der Partei DIE LINKE zu vereinbaren.
Ebenfalls beschlossen hat der Parteivorstand Pfingsten mit der Partei DIE LINKE 2011als zentrale Veranstaltung der Partei DIE LINKE vom 10. bis 13. Juni 2011 in der Europäischen Jugend- und Begegnungsstätte in Altenhof am Werbellinsee.
Mit seinem Beschluss Zum Protest der Sahrauis in der besetzten Westsaha erklärte der Parteivorstand seine Solidarität mit den gut 14 000 Sahrauis, die ihre Wohnorte verlassen und in Zeltstädten leben, um auf ihre unerträgliche Lebenssituation in dem durch das Königreich Marokko besetzten Teil der Westsahara aufmerksam zu machen.
Zu guter Letzt beschloss der Parteivorstand, die ver.di-Kampagne „Vermögenssteuer jetzt“ zu unterstützen. Zur Begleitung der Kampagne wird ein Flyer zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer produziert.