Sofortinformation - Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandes am 30. August 2010
Liebe Genossinnen und Genossen,
in der aktuell-politischen Verständigung befasste sich der Geschäftsführende Parteivorstand zunächst mit dem Treffen des Geschäftsführenden Parteivorstandes und der Landesvorsitzenden, Landessprecherinnen und -sprecher am 6. September und war sich einig, dass es in dieser Beratung in erster Linie um eine politische Verständigung gehen muss. Die innerparteilichen Probleme, die das Sommerloch beherrschten, müssen sachlich diskutiert und geklärt werden. Im Mittelpunkt der Beratung werden die politischen Herbstaktivitäten stehen. Im August haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Karl-Liebknecht-Hauses damit begonnen, Kreisverbände anzurufen, um sie für Aktionen im "Heißen Herbst" gegen das Kürzungsprogramm der Regierung zu mobilisieren und über Angebote des Parteivorstandes zu informieren. Die Resonanz ist sehr positiv. Schon in vielen Kreisen werden Aktionen vorbereitet, alle anderen werden aufgefordert und darin unterstützt, sich ebenfalls an den Aktivitäten zu beteiligen.
Ein weiterer politischer Schwerpunkt ist zurzeit der Protest gegen die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Der Geschäftsführende Parteivorstand bekräftigte die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Für DIE LINKE ist die Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten auch eine Demokratiefrage, die so von keiner anderen Partei gestellt wird. Wer kann es sich leisten, ganzseitige Anzeigen im Interesse der Atomlobby zu schalten? Wer findet Gehör bei der Kanzlerin? Wer erhält welche Unterstützung bei der Umsetzung von Eigeninteressen? Wie und von wem werden sogenannte Selbstverpflichtungen der Atomindustrie kontrolliert? Hinzu kommt, dass es sich bei dem Gutachten, auf das sich die Laufzeitverlängerungen stützen, um ein Gefälligkeitsgutachten handelt, denn es wurde von einem Institut erstellt, das sowohl von E.ON als auch von RWE jährlich eine Grundfinanzierung erhält. Damit ist dieses Gutachten ein Fall für den Bundesrechnungshof.
In einem Beschluss verurteilt der Geschäftsführende Parteivorstand die jüngsten, nicht hinnehmbaren rassistischen, antisemitischen, menschenverachtenden Äußerungen von Thilo Sarrazin und fordert alle Parteigliederungen auf, sich an den Protesten gegen diese Ausfälle zu beteiligen. Der Geschäftsführende Vorstand sieht die Verantwortung auch bei der Bundesbank, deren Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin ist und die nun einen Weg finden muss, Schaden von sich abzuwenden. Selbstverständlich muss auch die SPD Konsequenzen ziehen.
Der Geschäftsführende Parteivorstand wird eine kleine Argumentationsbroschüre als Download erstellen und hat folgende Erklärung verabschiedet:
Sarrazin in die Schranken weisen
- Wir sind empört über die erneuten Ausfälle von Thilo Sarrazin. Die These, dass muslimische Zuwanderer in irgendeiner Weise für das Elend von Menschen in Deutschland verantwortlich sind, weisen wir entschieden zurück. Auch die Behauptung, Jüdinnen und Juden hätten eine gemeinsame genetische Prägung, ist vollständig inakzeptabel. Sarrazins Thesen sind rassistisch und antisemitisch. Er ist untragbar in öffentlichen Ämtern.
- Arbeitslosigkeit, Armut und das Entstehen, bzw. die Vergrößern von "Unterschichten" sind nicht das Ergebnis "fehlender Intelligenz", Zuwanderung oder genetischer Unzulänglichkeiten. Sie sind die Folge der Unfähigkeit des Marktes, die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen, und des Unwillens der Politik, im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung in den Markt einzugreifen.
- Auch die Unterstellung, Muslime wären unfähig oder Unwillens, sich in die Gesellschaft zu integrieren, lehnen wir ab. Die Statistiken zeigen ein anderes Bild: 80 Prozent der Migrantinnen und Migranten in Deutschland mit muslimischem Hintergrund können Einkommen aus Lohn, Gehalt oder Selbständigkeit vorweisen. Für 89 Prozent der befragten Muslime genießt Demokratie ein hohes Ansehen. Nach einer kürzlich erschienenen Umfrage des US-Instituts Gallup artikulierten 40 Prozent der befragten Muslime eine "enge Bindung zur Bundesrepublik", bei den nichtmuslimischen Befragten waren es nur 32 Prozent.
- Wir stellen fest, dass Sarrazin auf einer ausländerfeindlichen und anti-muslimischen Stimmung aufbauen kann, die über Jahrzehnte von weiten Teilen der Politik und Medien geschürt wurde und fordern diese zu einer Kehrtwende auf.
- Wir stellen außerdem fest, dass es der Mehrheit der Menschen in diesem Land, unabhängig von ihrer Herkunft, Religionszugehörigkeit, Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Geschlecht, nur besser gehen wird, wenn wir Spaltungen überwinden und uns gemeinsam und solidarisch für eine Gerechte Verteilung des Reichtums in Deutschland einsetzen. Der einzige wirkliche Gegensatz in diesem Land besteht zwischen Oben und Unten.
- Wir bitten alle Parteigliederungen, sich an den Protesten gegen Sarrazins Äußerungen zu beteiligen und im Sinne dieses Beschlusses aktiv zu werden.
- Wir fordern den Vorstand der Bundesbank auf, umgehend bei der Bundesregierung eine Entlassung von Thilo Sarrazin aus dem Vorstand der Bundesbank zu beantragen. Wir fordern die Führungsgremien der SPD auf, umgehend gegen Thilo Sarrazin tätig zu werden. Die SPD-Führung hat es selbst in der Hand, ob und wie lange Thilo Sarrazin seine menschenverachtenden Thesen als Mitglied ihrer Partei verbreiten kann.
In einem weiteren Beschluss lehnt der Geschäftsführende Parteivorstand die nach Medienberichten geplanten Neuregelungen zur Sicherungsverwahrung ab. In dem Beschluss heißt es unter anderem: "Statt Gelder in Plätze für Sicherungsverwahrte zu investieren, wäre es nach Auffassung der LINKEN sinnvoller, den Strafvollzug, wie es das Gesetz auch vorschreibt, konsequent auf Resozialisierung der Straftäter auszurichten und ausreichende Therapie- und Ausbildungsangebote bereitzustellen…" DIE LINKE setzt auf eine bessere Vorbereitung der Entlassung von Straftätern und begleitende Maßnahmen nach der Haftentlassung, zum Beispiel betreutes Wohnen und Therapieangebote.
Beschlossen hat der Geschäftsführende Parteivorstand auch die Vorlage zum "Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Hartz-IV-Regelsätzen". Damit bittet der Geschäftsführende Vorstand "alle Mitglieder und Sympathisanten, im Rahmen der Kampagne gegen das Kürzungspaket in geeigneten, interaktiven Aktionen, z.B. vor JobCentern, die Kritik der LINKEN an der schwarz-gelben Ignoranz gegenüber dem Sozialstaatsgebot sowie die Vorschläge der LINKEN zur Überwindung von Hartz IV in die Öffentlichkeit zu tragen".
Werner Dreibus berichtete über den Landesparteitag am vergangenen Wochenende in Hessen. Auch dort standen die Herbstaktionen im Zentrum. Viele Sozialverbände und Gewerkschaften waren mit Grußworten auf der Tagung vertreten. Die beiden bisherigen Landesvorsitzenden wurden wiedergewählt, und auch der Landesschatzmeister erhielt ein glänzendes Ergebnis. Der Geschäftsführende Vorstand gratuliert allen Gewählten sehr herzlich.
Zur Situation im bayerischen Landesverband nahm der Geschäftsführende Parteivorstand folgende Vorschläge des Bundesgeschäftsführers Werner Dreibus zur Kenntnis: Alle Mitglieder des bayerischen Landesverbandes erhalten aus dem Parteivorstand einen Brief, in dem über die aktuelle Situation informiert wird. Das Thema Beitragsmoral steht nicht nur in Bayern zur Diskussion, sondern wird in allen Landesverbänden auf die Tagesordnung gesetzt.
Heinz Bierbaum berichtete über den Sachstand im Landesverband Rheinland-Pfalz. Festzuhalten ist, dass die Kandidatenliste eingereicht und für gültig befunden wurde und damit der Wahl nichts mehr im Wege steht. Der Geschäftsführende Parteivorstand hält folgende Punkte fest.
- Jeder Versuch, die Liste in Frage zu stellen, wird zurückgewiesen.
- Jeder Versuch, den Spitzenkandidaten zu diskreditieren, wird zurückgewiesen.
- Die Forderung nach Rücktritt der rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden wird zurückgewiesen
- Es ist ein politischer Prozess einzuleiten, der im November die Wahl eines akzeptierten und handlungsfähigen Landesvorstandes möglich macht.
Der Geschäftsführende Vorstand unterstützt einen Aufruf anlässlich des Jahrestages des Überfalls auf Polen am 1. September 1939: "Die Lehre aus der Geschichte lautet NEIN zum Krieg!". DIE LINKE wird sich aktiv an Veranstaltungen der Friedensbewegung zum Antikriegstag am 1. September beteiligen.
Solidarische Grüße
Caren Lay und Werner Dreibus
Bundesgeschäftsführerin und Bundesgeschäftsführer