Disput

In aller Freundschaft

Aller Anfang ist schwer. Das galt auch für die Fusion zum Berliner Landesverband DIE LINKE. Erinnerungen an einen turbulenten Auftakt

Von Stefan Liebich

Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, als ich im Mai 2005 den Berliner Landesverband der neuen Partei »Arbeit und Soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative « erstmals als »Gurkentruppe « titulierte. Die kleine Truppe kannte damals vor allem einen Gegner – uns, die PDS. Wir sollten unbedingt aus der Koalition mit der SPD aussteigen, so die stetige Forderung, denn wir würden dort ohnehin nur »Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz« betreiben. Mir war der Geduldsfaden gerissen, wahrscheinlich das einzige Mal überhaupt.

Aufrechte Kämpfer, schillernde Aktivisten

Wie bei Parteineugründungen üblich, versammelten sich auch in der WASG neben aufrechten Kämpfern viele schillernde Aktivisten. Wir hatten es dort mit drei relevanten Gruppen zu tun. Den Ton gaben Funktionäre und Mitglieder der Sozialistischen Alternative (SAV) an, einer Filiale des in London ansässigen trotzkistischen Komitees für eine Arbeiterinternationale. Bekannteste Vertreter waren der SAV-Bundessprecher Sascha Stanicic und die bei der Zeitung der SAV angestellte Lucy Redler. Mit dabei war auch die trotzkistische Konkurrenz der SAV, die damals »Linksruck« hieß und sich heute »marx21« nennt.

Sie war die deutsche Sektion der International Socialist Tendency, einer ebenfalls in London ansässigen revolutionär- sozialistischen Organisation, die versuchte, über Werner Halbauer ihren Einfluss in Berlin geltend zu machen. Auch ehemalige Mitglieder der PDS traf man in der WASG wieder. Renate Herranen zum Beispiel, die für uns ein Mandat in der BVV Reinickendorf errang und dann die Partei samt Mandat verließ oder Rouzbeh Taheri, ein früheres Vorstandsmitglied. Natürlich gab es dort auch linke Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Ich erinnere mich an gute Gespräche mit Cordula Vita Adam oder Frank Puskarev. In den Gremien der Partei waren sie jedoch unterrepräsentiert.

Trotzdem wollten wir als PDS mit damals zehntausend Berliner Mitgliedern einen gemeinsamen Weg mit unseren einige Hundert zählenden »neuen Freunden« suchen, und mit dem Beitritt Oskar Lafontaines zur WASG im Sommer 2005 bekam die Geschichte eine zusätzliche Dynamik. Seine gemeinsame Spitzenkandidatur mit Gregor Gysi zur Bundestagswahl zeigte neue bundespolitische Chancen auf, weshalb wir trotz interner Widerstände die Tür für ein Zusammengehen öffneten. Bei unserem Gegenüber brachen heftige Debatten aus. Einig war man sich dort letztlich nur in der Kritik an uns. Einer der wechselnden Vorsitzenden wollte als Voraussetzung für ein Bündnis den »Austritt der Postsozialisten aus der Berliner Landes-Regierung «. Das kam natürlich nicht in Frage und so gingen in Berlin die Auseinandersetzungen weiter, obwohl seit Ende 2005 im Bundestag WASG und Linkspartei.PDS eine gemeinsame Fraktion bildeten.

Zum Showdown kam es bei den Berliner Wahlen im September 2006. Während die Linkspartei.PDS mit ihrem Spitzenkandidaten, dem Wirtschaftssenator Harald Wolf, für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition stritt, trat die Berliner WASG gegen den Willen ihrer Bundesspitze mit der Spitzenkandidatin Lucy Redler gegen uns an. Wir seien Teil einer Allparteienkoalition, Lügner und – natürlich – neoliberal. Es kam, wie es kommen musste: Zwar erhielten wir in der Summe, wie bei den Bundestagswahlen zuvor, als wir auch in Berlin gemeinsam antraten, 16 Prozent der Stimmen, nur verteilten sie sich dieses Mal auf 13 für die Linkspartei. PDS und 3 für die WASG, wobei letztere wegen der 5-Prozent-Hürde keine Wirkung entfalteten. Die rot-rote Zusammenarbeit wurde fortgesetzt.

Die Partei DIE LINKE wurde im Juni 2007 gegründet. Die Berliner WASG wollte diesen Weg nicht mitgehen, wurde schließlich von ihrem Bundesvorstand aufgelöst und Lucy Redler rief die Nachfolgeorganisation BASG ins Leben. Andere wollten dabei sein und bildeten Anfang Juli mit uns den neuen gemeinsamen Landesverband. Inzwischen ist sogar Lucy Redler Mitglied bei der LINKEN, obwohl wir auch jetzt wieder Teil einer Landesregierung sind.

Stefan Liebich ist Bundestagsabgeordneter und war von 2001 bis 2005 Landesvorsitzender der Berliner PDS sowie von 2002 bis 2006 Vorsitzender der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.