Männerfäuste mit Schwielen
Beim Gründungstag zeigten sich Widersprüche, die die Partei seitdem begleiten. Das Symbol für den Aufbruch überging die Frage der Geschlechterverhältnisse
Von Frigga Haug
Der Gründungstag ist mir unvergesslich. Nicht allein, weil auch ich das erste Mal in einer Partei Mitglied wurde, vor allem aber, weil im Saal trotz einer nicht enden wollenden Menge von Reden und Grußworten eine so kämpferische Stimmung herrschte. Aus ganz unterschiedlichen politischen Gegenden kommend, schienen sich die Vielen ebenso der Möglichkeit eines gemeinsamen Aufbruchs gewiss, wie sie um die Schwierigkeiten wussten, in die wir uns einließen. Die Gründung dieser Partei war so notwendig wie das Ergebnis einer historischen Konjunktur. Die Sozialdemokratie hatte sich in der Mitte der Gesellschaft arrangiert, sodass der Platz links von ihr leer war für eine Kraft, die für alle diejenigen, die eben nicht zur Mitte gehören, ein Sprachrohr und eine Vertretung sein konnte. Kurz, es ging wieder und jäh um die Möglichkeit linker sozialistischer Politik als Verbindung derjenigen, die das linke Erbe der DDR aufheben wollten und derjenigen, die einem Zusammenschluss der zersplitterten antikapitalistischen Linken im Westen eine Chance geben wollten.
Schon an diesem ersten Parteitag zeigten sich Widersprüche, die diese Partei von Stund‘ an begleiten mussten. Das Symbol für die Neugründung waren drei Männerfäuste, nahegelegt: mit den Schwielen harter Arbeit. Das überging schon die Frage der Geschlechterverhältnisse, dann die der veränderten Arbeitsverhältnisse in Richtung auf Hightech, in der solche Fäuste gar nicht erworben werden konnten, und ungenannt alle Fragen von Kopf- und Handarbeit, von Intellektuellen in der Partei.
Wir, vom Institut für kritische Theorie, die wir das historisch-kritische Wörterbuch des Marxismus erarbeiteten, hatten schon vor der Gründung den Auftrag angenommen, über eine mögliche Programmatik einer neuen Linken beratend zu diskutieren. Für die Veröffentlichung fanden sich zwölf kleine linkssolidarische Verlage. Das Buch erschien 2008 unter dem Titel »Unterhaltungen über den Sozialismus nach seinem Verschwinden « und ist immer weiter nützlich zu lesen, soweit man sich für sozialistische Politik verantwortlich fühlt.
Schon an diesem Gründungstag versammelten wir Frauen in der Partei uns, um erste Linien für unsere weitere Politik abzustecken. Die Spannung hielt an. Über zwei Jahre arbeiteten wir parallel an einer Programmschrift, die die einzelnen Felder, die sie beschreiten muss, nicht wie beliebige additive Posten zusammenwürfelt, die also ernst nimmt, um was es geht, und in unserem Fall sich wirklich um eine sozialistische Fassung der Frauenfrage bemüht und in ihr Programm nimmt.
Diese Arbeit quer durch die Strömungen, die sich in der Partei herausgebildet hatten, haben uns mit Sinn, Begeisterung und Zorn erfüllt. Sie hat sich auf jeden Fall gelohnt und schuf ein zusätzliches Band, das die bloße Mitgliedschaft in dieser Partei überschreitet. So brachte uns die intensive Arbeit mit dem Programm der Partei mehr als eine bloß äußere Identität. Unser Politikvorschlag wurde bekannt unter dem Titel »Die-vier in- einem-Perspektive«. Sie wurde schließlich jetzt 2017 nach zehn Jahren ins Wahlprogramm aufgenommen.
Als Politik wird darin unter anderem vorgeschlagen, keine fertigen Antworten zu formulieren, sondern eine Struktur zu schaffen, in der die einzelnen ihre Fragen sprechen und so artikulieren lernen, dass sie zu einer gemeinsamen Kraft der Veränderung werden können.
Frigga Haug ist Vordenkerin des marxistischen Feminismus und hat 2013 den Clara-Zetkin-Frauenpreis der LINKEN verliehen bekommen.