Ausgeklinkt
Klimaschutzpolitik nach Art des Hauses Niebel
Von André Hagel
Die einen pflegen in Fragen des Klimaschutzes Unverbindlichkeit. Andere wieder handeln sehr verbindlich – gegen das Klima. Die Politik des deutschen Entwicklungshilfeministeriums ist ein Beispiel dafür, wie man heute schon an den Katastrophen von morgen arbeiten kann.
Dass eine verbindliche, der Nachhaltigkeit verpflichtete Klimaschutzpolitik ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung künftiger Katastrophen wäre, gehört zum Allgemeinwissen der im 21. Jahrhundert angelangten Menschheit. Die versucht sich mittlerweile darauf einzurichten, dass Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren weitaus mehr als bisher das Schicksal vieler bestimmen werden.
Allein, seit dem enttäuschenden Klimagipfel von Kopenhagen ist die Hoffnung arg gesunken, die Staatenlenker würden noch zu Konzepten finden, die dem Planeten Erde und seinen Bewohner wieder etwas Luft verschaffen. »Die Zeit zum Handeln wird knapp – aber wo ist die internationale Klimapolitik? In der Bedeutungslosigkeit verschwunden«, stellte kürzlich Martin Kaiser, Leiter für Internationale Klimapolitik bei Greenpeace Deutschland, resigniert in einem Zeitungsbeitrag fest. Ratlosigkeit und Mutlosigkeit überall: keine gute Perspektive für den Klimagipfel im mexikanischen Cancun, der in diesen Wochen stattfindet.
Die Industrieländer lieben es, aufs Gesamte gesehen, in Klimaschutzfragen unverbindlich. Was beschämend genug ist. Einige politische Offizielle des reichen Nordens jedoch gehen sogar noch einen Schritt weiter – und unterstreichen auf ganz eigene Weise ihre Verantwortung für das, was sich bereits jetzt als im wahrsten Sinne des Wortes katastrophale globale Perspektive abzeichnet.
Wertvolle Ansätze nicht von Wert?
So hat Deutschlands Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) die Zeit seit dem September damit verbracht, ein neue Wege weisendes Vorhaben Ecuadors zu torpedieren, das in sich vier wertvolle Ansätze vereint: Klimaschutz, Ressourcenschonung, Erhaltung der Artenvielfalt und die Bewahrung des Lebensraumes indigener Völker.
Vor vier Jahren hatte das südamerikanische Ecuador mit der sogenannten Yasuní-ITT-Initiative vorgeschlagen, seinerseits auf die Förderung von rund 850 Millionen Barrel Erdöl im Yasuní-Nationalpark zu verzichten, zugunsten der Umwelt sowie der in dem Nationalpark lebenden Indigenen. Das unter Naturschutz stehende Gebiet im Amazonas-Regenwald, in dem die Erdölreserven entdeckt worden waren, weist eine der höchsten Artenvielfalten weltweit auf. Im Gegenzug zum Erdölverzicht, so das Ansinnen der ecuadorianischen Regierung, sollte die internationale Gemeinschaft als Ausdruck ihrer Mitverantwortung in den nächsten 20 Jahren 2,7 Milliarden US-Dollar in einen Treuhandfonds einzahlen, einen Betrag, welcher der Hälfte der veranschlagten Einnahmen des Landes aus der Yasuní-Ölförderung entspricht. Aus den Zinseinnahmen des unter UN-Verwaltung laufenden Fonds wiederum sollten entwicklungspolitische und ökologische Projekte in Ecuador gefördert werden.
Anfang August dieses Jahres wurde der Treuhandfonds mit dem UN-Entwicklungsprogramm unterschrieben. Ein wichtiger Schritt zu Verhandlungen mit den Geberstaaten.
Nur hat Ecuador die Rechnung ohne seinen ersten und bislang stärksten Verbündeten in dieser Frage – Deutschland – gemacht. Zwar hatte der Bundestag im Sommer 2008 fraktionsübergreifend das Votum gefällt, Haushaltsmittel für den Treuhandfonds bereitzustellen; eine Entscheidung, die später mehrmals offiziell bekräftigt wurde. Im September dieses Jahres aber stellte nun der neue liberale Hausherr im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fest, dass der Yasuní-ITT-Initiative ein »einheitlicher Begründungszusammenhang« fehle, ebenso »eine klare Zielstruktur und konkrete Aussagen darüber, welche Garantien für einen dauerhaften Verzicht auf die Ölförderung im Yasuní-Gebiet gegeben werden«. Auch zu weiteren Geldgebern seien Fragen ungeklärt. Zudem trieb den obersten deutschen Entwicklungspolitiker die Furcht vor dem guten Beispiel um: In starrem Politneusprech hieß es in einem Brief an die Regierung Ecuadors, eine Unterstützung könne »eine Präzedenzwirkung im Hinblick auf Kompensationsforderungen der Erdöl produzierenden Länder in den Klimaverhandlungen haben«. Ergo, ließ Minister Niebel verlauten, werde sein Ressort Einzahlungen in den Treuhandfonds nicht in Betracht ziehen. (Pikant: In seiner Kritik blendete Niebel geflissentlich aus, dass etwa die Frage der von ihm geforderten Garantien längst Eingang in die im August unterzeichneten Regelungen zum Fonds gefunden hatten.)
Dem Niebel-Ministerium geht es wenig um Klimaschutz und Entwicklungspolitik, sondern im Falle der ecuadorianischen Initiative und des Treuhandfonds anscheinend weit eher um Rohstoffsicherung mit allen Mitteln. Unbeschadet des Umstandes, dass Staaten wie Italien, Spanien und Portugal inzwischen zu den Unterstützern des Yasuní-Vorhabens zählen und andere wie Frankreich und Norwegen zumindest schon positive Signale gesendet haben. Eine ähnliche Haltung wie die Deutschlands ist jedenfalls nirgendwo zu verzeichnen.
Es ist mehr als ein politischer Flurschaden, den der deutsche Entwicklungshilfeminister angerichtet hat – der geplante Staatsbesuch des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa in Berlin Anfang November wurde nach Niebels Entscheidung abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben, und der Minister weiß in der Sache alle Bundestagsparteien gegen sich. Viel mehr noch zeugt die Absage aus Berlin von einer Anti-Klimaschutzpolitik mit dem Brecheisen.
Dass dies kein nachvollziehbarer Weg ist, scheint man inzwischen auch im Ministerium des Herrn Niebel erkannt zu haben. Man ziehe »unter den gegebenen Umständen« auch eine Unterstützung in Betracht, »wenn die offenen Fragen beantwortet sind«, hieß es Ende Oktober plötzlich. Offenbar wird jetzt auf Zeit gespielt. Dass, um mit Martin Kaiser zu sprechen, in Sachen Klimaschutz die Zeit zum Handeln knapp wird, kümmert da wenig.