Disput

Gemeinsam blockieren!

Den Nazis im Februar 2011 in Dresden erneut entgegentreten!

Von Jens Thöricht

Anlässlich der Luftangriffe durch Alliierte im Februar 1945 auf Dresden planen Nazis für 2011, wie schon seit vielen Jahren, einen Marsch durch Dresden. Dazu mobilisieren sie europaweit.

Die Zahlen der Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Jahr 2009 sprechen für sich: Mit 7.000 Nazis auf der Straße hat Dresden eine herausragende Bedeutung in faschistischen, nationalsozialistischen und rechtskonservativen Kreisen. Seit Beginn der Aufmärsche stiegen die Zahlen und die Umfeldaktivitäten stetig.

Aber wir haben es geschafft: Am 13. Februar 2010 zog kein Trauermarsch der Nazis durch Dresden. Dem Aufruf von »No pasaran« folgend, entstand das Bündnis »Nazifrei! – Dresden stellt sich quer«. In diesem Bündnis schlossen sich Parteien, Verbände, Organisationen und Einzelpersonen zusammen. Auf der Basis des Aktionskonsenses »Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch. Von uns geht dabei keine Eskalation aus. Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden. Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern« hatten bis zu 15.000 Menschen an die zehn Stunden bei Temperaturen unter null Grad in Blockaden ausgeharrt. Parallel dazu wurde am Neustädter Bahnhof verhandelt. Endlich kam die erlösende Nachricht des Ordnungsamtes Dresden und der Polizei, dass der Aufmarsch der Nazis aus Sicherheitsgründen abgesagt wird. Viele junge Menschen, aber auch Ältere, mehrheitlich nicht aus Dresden – geschätzt 70 bis 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mit Bussen nach Dresden angereist – errangen diesen Erfolg! Die Medien taten sich zunächst schwer, diesen Erfolg als solchen darzustellen.

Im Vorfeld des 13. Februar 2010 war in der Dresdner Presse das Aktionsbündnis »Nazifrei! – Dresden stellt sich quer« als Gruppe linksradikaler Chaoten verunglimpft wurden. Die von der Oberbürgermeisterin Frau Orosz angeregte Menschenkette wurde zum einzigen akzeptablen Mittel stilisiert, welches einen Trauermarsch der Nazis verhindern könne. Damit wurde in der lokalen Presse versucht, die Bürger der Stadt zu spalten, geplante Aktionen in demokratische und »extremistische« zu teilen. Schließlich ging der 13. Februar 2010 von Dresden aus um die Welt. Zuerst berichteten die ausländischen und überregionalen Medien: In Dresden fand kein Nazi-Großaufmarsch statt, Blockaden rund um den Bahnhof Dresden-Neustadt hatten dies verhindert. Nachdem lokale Medien in ihrer Berichterstattung zunächst vom alleinigen Erfolg der Menschenkette der Oberbürgermeisterin berichteten, gab es auch hier unter dem Druck der Öffentlichkeit am 17. Februar eine Wende. Die Menschenblockaden wurden endlich als das dargestellt, was sie tatsächlich waren, nämlich die wirklichen Verhinderer des Naziaufmarsches vier Tage zuvor. In der Stadtratssitzung vom 25. Februar 2010 schließlich konnte Frau Orosz nicht umhin, in einem Nebensatz auch den »Menschen in der Neustadt« für ihr Engagement zu danken.

Immer wieder wird die Frage gestellt, warum sich die rechten Parteien und Gruppierungen gerade Dresden für ihre größte international beworbene Demonstration ausgewählt haben.

In der DDR wurde dieser Tag von offizieller Seite zum Tag für das Gedenken an die Opfer von Krieg und Faschismus. Immer wurde an die Verantwortung des faschistischen Deutschlands für die Verbrechen dieses Krieges erinnert. Der Tag stand unter der Forderung »Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg«. Es gab Kranzniederlegungen auf dem Heidefriedhof, bei denen, mehr als das heute der Fall ist, den Opfern des Krieges in der Welt, wie in den Städten Leningrad, Warschau oder Coventry, gedacht wurde. Das Gedenken an die Opfer stand immer in Einheit mit der Mahnung an die Ursachen und Urheber des Krieges. Dresden stand symbolisch für die Rückkehr des Krieges an seinen Ursprung. In der offiziellen Lesart wurden unschuldige Zivilisten, Frauen, Kinder, ältere Menschen, Flüchtlinge zu Opfern der Bombenangriffe. Der Diskussion um die Kriegsschuld, der Auseinandersetzung mit der Verantwortung bis hin zum Versagen von Parteien und Organisationen, bis hin zum Einzelnen für die Entwicklung von Faschismus und Krieg wurde zu wenig Raum gegeben.

Lehren für die Zukunft

Um Naziaufmärschen dieser Größenordnung wirksam entgegentreten zu können, ist es notwendig, den antifaschistischen Protest nicht nur auf breitere Füße zu stellen, sondern ihn auch nachhaltig zu verankern – das zumindest haben die antifaschistischen Proteste der letzten Jahre in Dresden gezeigt.

2011 ist der 66. Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden. Im Februar 2010 haben wir den faschistischen Kräften eine Niederlage zugefügt. Von den Jungen Landsmannschaften bis zur NPD gab und gibt es Überlegungen, 2011 die Niederlage wieder wettzumachen. Ihr genaues Konzept werden die Nazis mit uns nicht verhandeln. Aktuell scheinen sie am 13. und 19. Februar 2011 marschieren zu wollen. Das fordert von uns ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität.

Wir wollen im kommenden Jahr auch inhaltlich einen Schritt weiter gehen, indem wir uns kritisch mit der offiziellen Erinnerungskultur auseinandersetzen. Wir wollen gemeinsam diskutieren, warum die Nazis sich den 13. Februar in Dresden Jahr für Jahr als Aufmarschort zu diesem Datum vornehmen. Wir wollen den Mythos von der unschuldigen Stadt Dresden kritisch in den Blick nehmen und die Opfer des nationalsozialistischen Terrors sowie des Zweiten Weltkrieges in den Fokus rücken. Wir wenden uns gemeinsam gegen jede Art von Geschichtsrevisionismus.

In diesem Sinne: Stoppen wir auch im Februar 2011 die Nazis in Dresden und blockieren dort, wo es notwendig sein wird, um einen Marsch zu verhindern! Menschen, die sich mit friedlichen Blockaden den Nazis entgegenstellen, sind keine linken Chaoten. Es sind Menschen, die aus der Geschichte die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! No pasaran! Sie werden nicht durchkommen!

Dazu brauchen wir euch! Mobilisiert eure Freundinnen und Freunde sowie Bekannte! Kommt nach Dresden und beteiligt euch an den Blockaden!

Jens Thöricht ist Mitglied des Landesvorstandes Sachsen.