Politik mit dem Einkaufskorb
Leitlinien für LINKE-Verbraucherpolitik
Von Caren Lay
Ob Abofallen am Telefon und im Internet, giftiges Kinderspielzeug oder Klebeschinken: Verbraucherfallen gibt es viele. Das eine Mal ärgern wir uns, das andere Mal merken wir es nicht einmal. Stets geht es um unseren Geldbeutel, oft auch um Risiken für unsere Gesundheit. Wir sind zunehmend mit aggressiven Werbestrategien und unlauteren Geschäftspraktiken konfrontiert. Nicht selten wird geltendes Recht ignoriert. So sind Fluggesellschaften verpflichtet, Fluggäste über ihre Entschädigungsrechte bei Verspätungen zu informieren, trotzdem erhalten die meisten Passagiere keinerlei Hinweise. Verbraucherinnen und Verbraucher verlieren dadurch jährlich Millionen.
Die Globalisierung hat die Welt komplexer und unübersichtlicher gemacht. Privatisierungen haben neue Märkte geschaffen – sei es in der Telekommunikation, in der Energieversorgung oder bei Gesundheitsleistungen. Neue Märkte sind auch durch technische Entwicklungen wie Internet und Mobilfunk entstanden. DIE LINKE reduziert Menschen jedoch nicht auf Verbraucherinnen und Verbraucher. Bereits privatisierte Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wollen wir rekommunalisieren, zum Beispiel im Energie- und im Gesundheitsbereich.
Das alles heißt: Verbraucherpolitik ist ein Thema für DIE LINKE! Mit Berlin und Brandenburg sind bereits zwei Verbraucherministerien in der Hand der LINKEN. Wir wollen das Zukunftsthema Verbraucherpolitik als wichtige Querschnittsaufgabe in der LINKEN stärken. Deshalb haben wir uns in der Bundestagsfraktion Leitlinien für LINKE-Verbraucherpolitik gegeben.
Die Bundesregierung versteckt sich hinter dem Leitbild des »mündigen Verbrauchers«, um selbst nicht tätig zu werden. DIE LINKE will stattdessen Verbraucherrechte stärken und Märkte verbrauchergerecht regulieren. Was unterscheidet unseren Ansatz von dem anderer Parteien?
Erstens wollen wir die soziale Frage mit Verbraucherpolitik verbinden. Verbraucherschutz darf keine Frage des Geldbeutels sein. LINKE-Verbraucherpolitik ist auch Politik für soziale Gerechtigkeit. Das unterscheidet unseren Ansatz etwa von den Grünen. LINKE-Verbraucherthemen sind zum Beispiel:
- Sozialtarife im Energiebereich und die Wiedereinführung der staatlichen Energiepreisaufsicht,
- ein Girokonto für alle,
- Preisobergrenzen etwa bei Dispo- und Überziehungskrediten sowie beim Abheben am Geldautomaten,
- Sozialtickets, zum Beispiel für Verkehr und Kultur,
- die flächendeckende Versorgung mit Breitband-Anschlüssen als gesetzlicher Mindeststandard,
- Investitionen in Barrierefreiheit in allen Bereichen wie Verkehr, Bau und Kommunikation.
Sozial und ökologisch verträglicher Konsum darf kein Luxus für wenige bleiben. Viele Menschen mit geringem Einkommen können sich den regelmäßigen Einkauf an der Bio-Theke nicht leisten. DIE LINKE tritt konsequent dafür ein, die Einkommenssituation zu verbessern, zum Beispiel durch Mindestlöhne und eine bedarfsdeckende, sanktionsfreie Mindestsicherung. Der Griff ins Einkaufsregal darf aber auch bei günstigen Angeboten nicht zum Risiko werden.
Gleichzeitig wollen auch wir eine »Politik mit dem Einkaufskorb« ermöglichen. Immer mehr Menschen möchten ihre Verbrauchermacht nutzen, um ökologische und faire Produktionsweisen zu fördern. Deshalb müssen Kennzeichnungen halten, was sie versprechen. DIE LINKE setzt sich für aussagekräftige und verlässliche Zertifizierungen von Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgütern ein.
Zweitens will DIE LINKE die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken. Sie benötigen umfassende Rechte gegenüber Staat und Unternehmen, um ihre Interessen wirksam vertreten zu können. Zum einen sind das individuelle Rechte wie das Recht auf Anonymität oder Datenlöschung im Internet und umfassende Preistransparenz. Zum anderen sind das kollektive Rechte wie kollektive Klagerechte für die Verbraucherverbände: Dadurch gelten Urteile im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern automatisch für alle Betroffenen.
Drittens fordert DIE LINKE, anders als die anderen Parteien, einen wirksamen Verbraucherschutz durch handlungsfähige Institutionen. Deshalb wollen wir ein durchsetzungsfähiges Bundesverbraucherministerium. Es muss in wichtigen Verbraucherfragen wie Spielzeugsicherheit, Abofallen im Internet und Anlegerschutz federführend sein, statt nachrangig am Katzentisch zu hocken. Zugleich brauchen wir eine starke Verbraucherschutzbehörde und finanziell wie personell gut ausgestattete Verbraucherverbände. Anders als andere Parteien sagen wir: Wir brauchen eine verbrauchergerechte Marktregulierung.
Klare und verständliche Kennzeichnungen sind ebenfalls wichtig. DIE LINKE tritt zum Beispiel für eine Ampel zur Nährwertkennzeichnung ein. Versteckte Dickmacher und Schummelwerbung lassen sich so auf den ersten Blick erkennen. In Berlin ist die LINKE-Verbrauchersenatorin Katrin Lompscher mit gutem Beispiel vorangegangen, indem sie das Modellprojekt des Gaststätten-Smileys eingeführt hat: Lachende Smileys oder ernst blickende und missmutige Gesichter teilen dem Gast unmissverständlich das Ergebnis der Lebensmittelkontrolle mit. Die Lebensmittelsicherheit konnte so bereits merkbar verbessert werden.
Gute Verbraucherarbeit benötigt Geld. 30 Jahre würde es dauern, bis jeder Haushalt einmal eine unabhängige Finanzberatung von einer Verbraucherzentrale erhalten hätte. Trotz des enormen Bedarfs können die Verbraucherzentralen dem aus finanziellen Gründen nicht nachkommen. Eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, Verbraucherberatung mitzufinanzieren, existiert in Deutschland nicht. DIE LINKE will Unternehmen verbindlich an der Finanzierung beteiligen. Dabei setzen wir uns für Modelle ein, die die Unabhängigkeit der Beratung von unternehmerischen Interessen wahren.
Mit ihren verbraucherpolitischen Leitlinien betritt DIE LINKE politisches Neuland. Sie sind ein Maßstab zum Handeln für die Bundesebene und eine Anregung für die Länder.
Die Bundestagsabgeordnete Caren Lay ist verbraucherpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion.