Weltbewusstsein und Sinnlichkeit
Gedenken in Sachsen an Christa Wolf
Volker Braun sprach die Totenrede für Christa Wolf am 13. Dezember 2011 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin: »An ihr, der Kenntlichen, rieben sich die Debatten. In ihr Fleisch schnitten die Schmähungen ein. Irrtum, Verstrickung: wir hätten uns, West und Ost, etwas vorzurechnen? Ogott! nie waren wir so, wie heute, verstrickt, verirrt, in demokratische Kriege, die Jahrmarktwirtschaft, sinnentleerte Vernunft. – Wie vornehm haben wir uns betragen gegen die Siegergewissheit. ...«
Unter dem Titel »Kein Ort. Nirgends« veranstaltete die Fraktion DIE LINKE am 24. Januar im Sächsischen Landtag in Dresden eine Gedenkveranstaltung für Christa Wolf. Volker Külow, Sprecher für Kulturpolitik, sprach von einer Annäherung, einer Reise, einer Begegnung mit dieser außergewöhnlichen Frau, die deutscher Literatur Weltbewusstsein und Sinnlichkeit gegeben hat. André Hahn, Fraktionsvorsitzender, begrüßte die zahlreichen Gäste und eröffnete auch eine Ausstellung zum Leben und Werk von Christa Wolf. Gezeigt werden in den Räumen des Landtages (natürlich auf der Ebene, wo DIE LINKE arbeitet) das komplette literarische Schaffen in Buchform, elektronische Aufzeichnungen öffentlicher Auftritte und Interviews, darunter die legendäre Rede am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, und viele großformatige Fotos sowie diverse Zeitungsartikel. Dass die Ausstellung so zustande kam, verdanken wir Peter Sodann, der aus seiner Bibliothek zur DDR-Literatur in Staucha bei Meißen Exemplare stellte. So war es auch nur sinnvoll, wenn er dann über die Literaturlandschaft in Sachsen und über sein »Projekt« (das Wort mag er nicht) »Peter-Sodann-Bibliothek e.V.« sprach. Das ist so ungewöhnlich und einmalig, dass es im nächsten DISPUT ausführlich vorgestellt wird.
In der anspruchsvollen Veranstaltung berichtete auch der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Schumann aus Leipzig über den Schaffensprozess, einzelne Werke und Umstände ihres Entstehens. Aus den Werken las die bekannte Dresdner Schauspielerin Bettina Sörgel. Die kluge und würdevolle Begegnung wurde mit einem Gedankenaustausch mit den Gästen abgerundet.
Erinnern wir uns noch einmal an Christa Wolf: »Vorschlag für den 1. Mai: Die Führung zieht am Volk vorbei.« Ja, schade, das haben wir nicht hinbekommen.
Gert Gampe