Disput

Politik soll Spaß machen

Von Claudia Jobst

»Reclaim the streets« war der erste Slogan, unter dem ich auf die Straße ging. In Dresden standen Kürzungen im Jugendhilfebereich an, und der Jugendverein Rote Baum e.V., dessen Jugendhaus ich jeden Nachmittag unsicher machte, war davon betroffen. Und siehe da, die Proteste trugen Früchte und Schlimmeres konnte verhindert werden. Das war im Jahr 2000. In der folgenden Zeit engagierte ich mich viel im Verein, protestierte gegen Nazis und lernte die PDS näher kennen. Enttäuscht über die verlorene Bundestagswahl, trat ich am 20. September 2002 als Akt der Solidarität gemeinsam mit meinen FreundInnen in die Partei ein. Meine Eltern waren anfänglich nicht sehr begeistert. »Dort wird doch nur geredet und nichts gemacht!«, durfte ich mir allzu oft anhören. Dass man aber sehr wohl Dinge verändern kann, mussten sie einsehen, nachdem ich 2004 in den Stadtrat von Radebeul gewählt wurde. Linke Büger/innenpolitik im Sinne von Beteiligung und Mitbestimmung in Form eines Jugendbeirates oder auch das kritische Hinterfragen des Kommunalhaushaltes und das Aufzeigen von Alternativen ließen sie aufhorchen und umdenken.

Parallel zu meinem Lehramtsstudium an der TU Dresden arbeitete ich ab 2006 als Jugendkoordinatorin bei der PDS/LINKEN. Als »Mutti für alles« plante ich die legendären Pfingstcamps, organisierte Bildungsveranstaltungen und war letztendlich für über 1.000 Mitglieder und SympathisantIinnen unter 35 Jahren verantwortlich. Wichtig war mir dabei, den Jugendverband und die Partei als Ganzes zu sehen, den Kontakt zu suchen und uns Gehör zu verschaffen. Diskussionen rund um Nationenhype zur Fußball-WM oder die Legalisierung aller Drogen hatten nicht nur Reibungspotenzial, sondern führten zu konstruktivem Austausch zwischen Parteibasis und Jugendverband. Dass vieles nicht von hier auf gleich ging, mussten wir erst lernen. Jugendliche Euphorie ließ sich davon aber nicht abschrecken. Letztendlich saßen jung und alt zu Parteitagen gemeinsam zusammen, man trank gemütlich ein Bier oder schwang sogar das Tanzbein. Das machte Spaß!

Im August 2010 begann ich, als Lehrerin an der Freien Alternativschule in Dresden zu arbeiten. Nach mittlerweile acht Jahren in den Reihen und im Auftrag der Partei war das die perfekte Abwechslung. Ich kehrte der LINKEN den Rücken und konzentrierte mich vollkommen auf die Schule. Was nicht bedeutete, dass ich mehr Zeit haben sollte. Eine Schule, die vom Engagement der PädagogInnen und Eltern lebt, die sich immer wieder hinterfragt und der es am Wichtigsten ist, dass es den Kindern und Jugendlichen gut geht und sie Spaß an Schule haben, verlangt viel Initiative und Idealismus. Aber was gibt es Schöneres, als durch die Dresdner Neustadt zu laufen und die Kinder wechseln nicht die Straßenseite, wenn man ihnen begegnet, sondern sie umarmen einen freudestrahlend! Tja, und neben der Arbeit blieb auf einmal ein wenig Zeit übrig, um meinen Leidenschaften nachzugehen: einfach mal den Fahrtwind beim Motorrad fahren genießen oder im Fußballverein wieder für Tore zuständig zu sein - großartig!

Nach gut einem Jahr Parteiabstinenz wurde ich als Sprecherin für Gleichstellung und Feminismus in den Landesvorstand gewählt. Ein neues Thema, eine neue Herausforderung – neue Ideen und Ehrgeiz, aber vor allem Lust waren da! Und so viel hatte sich in der Zeit gar nicht geändert …

»Politik soll Spaß machen« – Unter diese Worte habe ich meine Kandidatur zum Parteivorstand gestellt. Auf Landesebene bereiten wir derzeit schon die Wahlkämpfe für 2013 und 2014 vor, wir entwickeln Programme zur intensiveren Einbeziehung und Schulung neuer Mitglieder zum Beispiel mithilfe des Mentoringprogrammes, und wir versuchen, die zahlreichen Themen wie Bildung, Soziales und Ökologie in die Gesellschaft zu tragen, indem wir uns Leitlinien für unser politisches Handeln in diesen Feldern setzen. Diese Konzentration des »Wie wirken wir nach außen, und wir beschäftigen uns nicht nur mit uns selber« fehlte auf Bundesebene in letzter Zeit enorm. Mein Anspruch ist es, unsere linke Politik wieder transparenter werden zu lassen und unseren Weg zurückzufinden und als Kümmererpartei wahrgenommen zu werden, die man ernst nehmen und der man sein Vertrauen schenken kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Kandidatur war und ist, die Umsetzung des Konzeptes zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen. Gabi Ohler und Ulrike Zehrhau, die sich bisher im Parteivorstand mit den Themen Gleichberechtigung und Feminismus beschäftigt haben, haben nicht noch einmal kandidiert. Innerhalb der LINKEN müssen wir es schaffen, eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nicht nur durch Quoten künstlich zu erzeugen, sondern wir müssen ein Selbstverständnis dafür entwickeln, gleich zu sein bzw. die Unterschiede anzuerkennen und dass man nicht anhand der Geschlechter unterscheiden kann und darf.

Die erste Sitzung des Parteivorstandes ist vorbei. Ich habe viel Potenzial gespürt und finde, dass Katja und Bernd ihre Aufgabe bisher sehr gut machen. Das 120-Tage-Programm befasst sich zum einen mit innerparteilichen Baustellen und will unsere Mitgliedschaft wieder motivieren, aktiv zu werden, spricht aber auch zentrale politische Themen wie »Umfairteilen – Reichtum besteuern« oder FairWohnen an. Wichtig wird sein, in naher Zukunft glaubwürdig rüber zu kommen und sich nicht mehr nur mit Personalfragen zu beschäftigen. Die Wahl in Niedersachsen wird eine ernsthafte Probe für die Bundestagswahlen 2013 werden. Wir dürfen gespannt sein!