Disput

Irakische Lösungen nötig

Interview mit Jassem Al-Labaan, Mitglied des Politbüros der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP)

Ich möchte zu den fünf Parlamentssitzen gratulieren, die die Irakische Kommunistische Partei im Verbund mit der Zivil Demokratischen Allianz errungen hat – unter widrigsten Umständen habt ihr diesen Erfolg erreicht: Terrorakte, Stimmenkauf und Einschüchterungen waren Teil der Wahlen. Doch angesichts der jetzigen dramatischen Entwicklung, was ist dieser Erfolg wert?

Das Wahlergebnis steht unter dem schlechten Stern der im Irak vorherrschenden sektiererischen und konfessionell motivierten Politik. Wir denken, dass weder die religiösen noch die nationalistischen Kräfte in der Lage sind, das Staatswesen Iraks aufzubauen. Wir erachten unser Bündnis der Zivil Demokratischen Allianz als wirkliche Alternative zu dem in der irakischen Politik vorherrschenden Quotensystem.

Wir sind der Meinung, dass es den laizistischen und demokratischen Kräften gelingen kann, einen funktionierenden, demokratischen Irak aufzubauen. Der Irak braucht einen dritten Weg: weder einen nationalistischen noch einen Weg, der von Islamisten geprägt ist. Es sind die Linken, die Liberalen und die Demokraten, die dazu aufgerufen sind, diesen Weg einzuschlagen.

Die jetzige katastrophale Lage des Iraks hat viel mit seiner jüngeren Geschichte zu tun: die Herrschaft Saddams, die Irak-Kriege und die Intervention und Besatzung durch die Vereinigten Staaten. Welche Fehler hat die Regierung Malikis gemacht?

Der erste und größte Fehler von Maliki ist, dass er stets versucht, politische Entscheidungen selbst zu bestimmen, unter Ausgrenzung anderer politischer Kräfte. Die irakische Verfassung sieht einen Ministerrat vor, der die wichtigsten Entscheidungen treffen soll, doch de facto existiert dieser nicht. Alle Fähigkeiten und politischen Entscheidungen sind in der Hand des Ministerpräsidenten. Maliki macht praktisch, was er möchte. Auch die Rechte des Parlaments werden kleingehalten.

Eigentlich müsste nach der Parlamentswahl die Regierungsbildung angegangen werden. Aber durch den Vormarsch der ISIS und der unmittelbaren Gefahr des Auseinanderbrechens des Iraks wird das wohl erst einmal nichts. Was schlägt die IKP zur Lösung der derzeitigen dramatischen Krise vor?

Selbst ohne den Vormarsch von ISIS könnten wir nicht bald mit einer neuen Regierung rechnen. Die Regierungsbildung 2010 zog sich über acht Monate hin. Auch im Bundesstaat Kurdistan dauert so etwas sehr lange – beim letzten Mal zehn Monate.

Die Auseinandersetzungen der verschiedenen Parteien, die unterschiedlichen Positionen und der teilweise vorherrschende Hass haben dazu geführt, dass die Politik im Irak gelähmt ist bzw. die politische Entwicklung stehen geblieben ist.

Wir sind der Meinung, dass der Terror und der Vormarsch von ISIS zurückgeschlagen werden muss. Es ist ganz klar: ISIS stellt eine Bedrohung für die Existenz des Staates Irak dar. ISIS muss gemeinsam besiegt werden, um dann die drängenden Fragen und Probleme des Landes anzugehen.

Weiterhin sind wir für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, die sich für die territoriale Integrität und eine Demokratisierung des Landes und für die Eindämmung des Sektierertums einsetzt. Diese Regierung der nationalen Einheit muss nach einem demokratisch abgestimmten politischen Plan vorgehen und sich selbst ein Statut für ihre Handlungsweisen geben.

Konkret und als ersten Schritt haben wir als IKP die Einberufung einer nationalen Konferenz vorgeschlagen, an der alle politischen Parteien teilnehmen sollen, die den politischen Prozess voranbringen. Diese Konferenz sollte eine beratende Kommission bilden, die der Regierung Vorschläge zur Überwindung der Krise macht. Man darf nicht vergessen: Die derzeitige Regierung agiert nur für den Übergang, aber da es abzusehen ist, dass die Regierungsbildung erneut viel Zeit in Anspruch nehmen wird, brauchen wir diese Kommission.

Wir fordern, dass die irakische Armee und alle Sicherheitsorgane umgebildet werden. Sie müssen endlich unabhängig und professionell organisiert werden. Die Seilschaften, die noch aus Zeiten Saddam Husseins stammen, müssen endlich gekappt werden. Wir als IKP machen Vorschläge, um die tiefen sozialen Probleme des Landes anzugehen, die derzeit keine große Rolle bei den übrigen Parteien spielen. Wir machen Vorschläge für eine Verbesserung der öffentlichen Daseinsfürsorge, des Gesundheitssystems etc. Eine riesige Herausforderung ist die dringend notwendige Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption, die die andere Seite der Medaille des Terrorismus ist

DIE LINKE lehnt ein Eingreifen fremder Mächte in den Konflikt ab. Die USA beispielsweise sind maßgeblich für die tiefe Misere im Irak verantwortlich. Auch Saudi-Arabien, Katar und Iran leisten keinen positiven Beitrag. Was ist die Position der IKP dazu?

Wir waren immer gegen Krieg und Intervention. Deshalb lehnen wir Interventionsstrategien ab, egal von welcher Seite sie kommen. Die innerirakischen Probleme bedürfen irakische Lösungen. Am besten friedlicher und demokratischer Natur.

Interview: Oliver Schröder