Im »Sommer der Flüchtlinge«
Kolumne
Von Carolin Butterwegge
Der Sommer 2014 soll der »Sommer der Flüchtlinge« werden, da Prognosen einhellig von einer starken Zunahme der Asylbewerberzahlen in diesen Sommermonaten ausgehen - unter anderem weil die Lage in Syrien und vielen afrikanischen Ländern für Betroffene immer unerträglicher wird.
Bis Ende Juni sind schon mehr als 58.000 MigrantInnen über das Mittelmeer nach Italien gekommen - weitaus mehr als im gesamten letzten Jahr. Laut Recherchen eines Zusammenschlusses von JournalistInnen sind seit dem Jahr 2000 rund 23.000 Menschen bei Einreiseversuchen ums Leben gekommen oder werden seither vermisst. Die für die Flüchtlingspolitik verantwortlichen Spitzenpolitiker/innen der EU vergießen indes regelmäßig Krokodilstränen, wenn neue Dramen Tote fordern.
Schon fast vergessen ist, dass für diese zutiefst inhumane Abschreckungsarchitektur der Festung Europa maßgeblich Entscheiderinnen und Entscheider deutscher Bundesregierungen verantwortlich sind. Die unter anderem vom damaligen Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Schäuble betriebene Grundgesetzänderung hatte dem deutschen Asylrecht schon 1992 faktisch die Grundlage entzogen: Weder auf dem Landweg (Stichwort: Drittstaatenregelung) noch per Flieger (Stichwort: Flughafenverfahren) oder gar aus vermeintlich »sicheren« Herkunftsstaaten können Flüchtlinge seither einreisen, um politisches Asyl oder Schutz vor Folter und Verfolgung zu beantragen. Bleibt also die illegale Einreise.
Zugleich ist es den Konservativen gelungen, die im sogenannten Asylkompromiss 1992 in Deutschland versuchsweise eingeführten Flüchtlingseinreise-Verhinderungsprinzipien im Rahmen der Harmonisierung des Migrations- und Asylrechts in EU-Recht zu überführen. Die Prinzipien »sicherer« Dritt- und Herkunftsstaaten sind nun in verschiedensten EU-Richtlinien und -Verordnungen verankert, während die illegale Einreise von Schutzsuchenden von Frontex und dem neuen europäischen Grenzüberwachungssystem Eurosur demnächst mit Drohnenüberwachung der Außengrenzen verhindert wird.
Nun droht eine neue Runde im Wettbewerb um die effektivste Flüchtlingsabschreckungspolitik aus dem Hause des Innenministeriums, wohlfeil versteckt hinter Kampagnen zur Einführung einer neuen »Willkommenskultur« gegenüber Migrant(inn)en. Es geht um den Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, nach Auffassung Heribert Prantls »das Schärfste und das Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist« (Süddeutsche Zeitung, 9. Mai 2014).
Zwar ist, wie der Name des Entwurfs anklingen lässt, auch ein weiterer Versuch vorgesehen, endlich den jahrelang Geduldeten eine Bleibeperspektive zu geben. In sich haben es aber die Bestimmungen zur Aufenthaltsbeendigung, die darauf hinausliefen, dass künftig fast jeder Flüchtling hierzulande inhaftiert werden könnte.
Das Aufenthaltsgesetz soll um einen Paragrafen erweitert werden, der bei »Fluchtgefahr« Haft vorsieht, wenn Menschen keine Ausweispapiere haben, ihren Einreiseweg nicht richtig benennen oder unter Umgehung von Grenzkontrolle eingereist sind. Egal, was Flüchtlinge tun, ihnen droht wegen Fluchtgefahr entweder Aufnahme- oder Abschiebehaft. Und wer im Verdacht steht, dass er kommt, um Sozialleistungen zu beziehen, soll praktischerweise ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bekommen.
Ein solches Gesetz wäre vermutlich die perfekte binneneuropäische Ergänzung der europäischen Antiflüchtlings-Festungspolitik der EU nach außen. Deutschland ist wieder einmal Vorreiter - Grund genug, um Widerstand seitens der LINKEN zu leisten!
Dr. Carolin Butterwegge ist Diplom-Sozialarbeiterin und lebt in Köln.