Druck organisieren
Denn sie wollen Griechenlands linke Regierung nicht gewähren lassen …
Von Oliver Schröder
Die schon zu Anfang unrealistische Hoffnung von Teilen der Öffentlichkeit, eine linke Regierung in Griechenland könne nicht nur das Fenster zu Veränderungen aufstoßen, sondern tatsächlich die Machtverhältnisse in Europa umwerfen und den Griechinnen und Griechen einen selbstbestimmten Weg abseits der Sparpolitik ermöglichen, sind zerstoben: Das neoliberale, das alte Europa, hat die Machtprobe gewonnen, Tsipras wurden auch nach dem überwältigenden Erfolg der Volksabstimmung am 5. Juli die Folterinstrumente in Form einer Staatspleite und des unkontrollierten Grexits gezeigt. Die Folgen dieser knallharten Erpressung sind bekannt, werden aber die Linke in Europa noch nachhaltig beschäftigen. Es liegt an uns allen, die daraus resultierenden Schwierigkeiten und auch Widersprüche nicht zu einer Schwächung der Linken in Europa auswachsen zu lassen.
Denn klar ist: Die deutsche Unerbittlichkeit hat sich erstmal durchgesetzt. Die von Schäuble verfolgte Linie zielte vor allem darauf ab, die mit Syrizas Wahlsieg angefachte Glut eines alternativen Kurses auszutreten – besonders auch in Hinblick auf die kommenden Wahlen in Portugal und Spanien. Das Kalkül war und ist: Wir lassen sie bei ihrem Versuch, wieder die Menschen in den Mittelpunkt der Politik zu rücken, nicht gewähren. Wenn sich schon nicht der Grexit für die linken Außenseiter auf europäischer Ebene durchsetzen lässt, so werden zumindest die Bedingungen diktiert, die sich nicht mit dem Wahlprogramm von Syriza in Einklang bringen lassen – den Rest erledigt schon die sehr diskurs- und streitfreudige Linke ... Das Beispiel Italien, wo sich eine der einst stärksten und innovativsten Linksformationen in Europa seit zehn Jahren in der Bedeutungslosigkeit befindet, lässt grüßen.
Was die Entscheidung der Bundesregierung für ein deutsches Europa (sekundiert von den Regierungen von Finnland, den Niederlanden und den baltischen Staaten) für Europa und den Fortgang der Integration bedeutet, darüber wird gerade sehr zu Recht diskutiert, Und auch DIE LINKE muss sich hier weiter positionieren und die bisherige Begrifflichkeit wie »Neustart für Europa« oder für ein »soziales, friedliches und ökologisches Europa« anspitzen und konkreter machen. Wichtiger noch als das könnte aber die Entwicklung konkreter Initiativen sein: Ist uns allen in der Partei die Solidarität mit dem alternativen griechischen Entwurf ein Kernthema, so gelang es trotzdem nicht, breitere gesellschaftliche Gruppen zu mobilisieren. Die Teilnehmerzahlen bei der Vielzahl von Demonstrationen und Veranstaltungen sprechen da leider für sich. Und trotzdem gibt es eine steigende Anzahl von Menschen, die, über das klassische linke Milieu hinaus, Kritik an der Entwicklung der Europäischen Union und der dominierenden Rolle Deutschlands üben. Diese »kritische Masse« gilt es zu nutzen, um den Druck auf die neoliberale Ideologie zu erhöhen. Bernd Riexinger und andere haben schon einige Punkte benannt, die hier Erfolg bringen könnten, so eine Kampagne für eine europäische Bürgerinitiative, die ein Ende der Kürzungspolitik und einen Stopp für Privatisierungen fordert, die Forderungen nach einer europäischen Schuldenkonferenz und eine Vermögensabgabe auf den Tisch bringt und ein Investitionsprogramm für soziale Infrastruktur benennt.
Druck muss organisiert werden, der Widerstand breiter gemacht werden. Das ist die dringlichste Aufgabe. Syriza bleibt das größte Schwungrad für Veränderungen, aber ohne eine stärkere Unterstützung in ganz Europa kann das Ganze nur im Misserfolg enden. Dabei gibt es viele strategische Fragen zu lösen: Wie stellen wir uns zur weiteren Entwicklung der europäischen Integration? Wie können die Gewerkschaften zu einer aktiveren Rolle bewegt werden? Wie können wir entscheidend in die sozialen Kämpfe eingreifen? Der letzte Punkt ist ein wesentlicher, ein Blick nach Lateinamerika macht dies deutlich: Dort sind linke, progressive Parteien teilweise schon seit einem Jahrzehnt an der Macht. Aber Veränderungen gehen nur langsam, nur die Regierung zu stellen reicht nicht. Die Veränderungen müssen nach wie vor über soziale Kämpfe erreicht werden – dies gilt besonders für die Europäische Union.
Was wir aber vor allem unterlassen sollten, ist, Kopfnoten für einzelne Abgeordnete und Strömungen innerhalb von Syriza zu verteilen. Sowohl die Ablehnung einer Einigung mit den Institutionen als auch die Flucht in die Idee eines Grexit sind legitim und müssen Platz in der Linken haben. Die Entscheidung für ein neues Hilfsprogramm darf nicht zu einem Schisma der Linken werden, denn alle, wirklich alle, sind sich darüber einig, dass die Politik der Austerität eine Sackgasse ist. Diesen Diskurs breiter zu machen, für eine soziale und demokratische Erneuerung Europas zu werben, dies steht uns besser zu Gesicht, als starr auf Athen und die Entwicklungen bei Syriza zu blicken.