Disput

Ein offener Weg

Im Mittelpunkt meiner Aktivitäten: die Stärkung des Jugendverbandes

Von Florian Häber

Über Freunde habe ich 2005 im Alter von 16 Jahren den Weg zu ['solid] gefunden. Ob und was die Organisation mit der PDS zu tun hatte, war mir damals relativ unklar und blieb es auch einige Zeit. Abseits von Tagespolitik und innerparteilichen Querelen konnten wir Texte diskutieren, eigene Projekte entwickeln und Seminare besuchen. Die Parteinähe (bzw. eher -ferne) empfinde ich bis heute als besonders hohes Gut des Jugendverbandes. Das bedeutendste Ereignis in dieser Zeit war zweifelsohne der Protest gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, der eine ganze Generation prägte.

Den Vereinigungsprozess der LINKEN verfolgte ich eher als Beobachter, auch weil zu der Zeit die Neugründung des Jugendverbandes als linksjugend ['solid] ein kräftezehrender Prozess war. Danach engagierte ich mich in verschiedenen Gremien und wurde 2011 erstmals in den Bundessprecher/innenrat gewählt. Nach dem Göttinger Parteitag trat ich mit anderen Bewegungslinken in DIE LINKE ein.

Zur Weiterentwicklung der LINKEN

In unseren Diskussionen um die Stellung der LINKEN wird diese oft implizit über ihr Verhältnis zur SPD definiert. Das ist angesichts der Gründungsgeschichte nachvollziehbar, aber nicht ausreichend. Dahinter steht nicht selten ein zu eng gefasster Politikbegriff, der stark auf das Parlament fixiert ist und allzu leicht übersieht, dass auch in Medien, Bildungsapparaten, Verwaltungen, im öffentlichen Raum, in wissenschaftlichen Diskursen und vielem mehr um linke Hegemonie gerungen werden muss. Hierin liegt die wesentliche Aufgabe der Partei für die nächsten Jahre, diese Gegenhegemonie mittels Verankerung in und Verbreiterung von lokalen, sozialen Auseinandersetzungen zu stärken.

Das muss mit einer notwendigen Profilschärfung einhergehen. Heute besteht unser Agendasetting (Schwerpunktsetzung) vor allem in der Kommentierung von Tagespolitik. Dabei verlieren wir uns nicht selten in kleinteiliger Fachpolitik, denn gerade Abgeordnete profilieren sich über ihr jeweiliges Thema, manchmal losgelöst von jeder gesellschaftlichen Dynamik. Hier muss die Partei überlegen, wie es uns gelingt, Themen zu bündeln, andere auszumisten und vor allem Forderungen zuzuspitzen.

Als Essenz bleibt derzeit der Eindruck, wir stünden (innenpolitisch) für Umverteilung und die Restaurierung des Sozialstaates. Das ist nicht nichts, aber zu wenig. Im Programm heißt es: »DIE LINKE kämpft in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein.« Das Anliegen der LINKEN ist qualitativ mehr als die Summe ihrer zurzeit artikulierten Einzelforderungen.

Das muss aber auch in den täglichen Auseinandersetzungen zu spüren sein. Wir müssen viel stärker die grundsätzliche Unzufriedenheit in der Bevölkerung adressieren: Wie frei fühlen sich denn die Menschen morgens um 7 Uhr auf dem Weg zur Arbeit? Wollen wir weiter nur leben, um zu arbeiten - oder nicht lieber nur soviel arbeiten, wie wir für ein gutes Leben brauchen? Lasst uns die Grundprinzipien dieser Verhältnisse infrage stellen. Das kann zum Beispiel entlang des Arbeitsbegriffs, der Eigentums- oder Demokratiefrage entfaltet werden.

Stattdessen bleibt aller Beschwörung »revolutionärer Realpolitik« zum Trotz doch meist nur »Realpolitik«, auch weil eine falsche Dichotomie (Zweiteilung) aufgemacht wird: Das »Revolutionäre« wird als Abstraktes und Zukünftiges dem »Realen« als Konkretes im Hier und Jetzt gegenübergestellt. Dabei kann eine heutige, konkrete Auseinandersetzung zum Beispiel um den sozialen Wohnungsbau doch sehr radikal sein: indem der Profitlogik das gesellschaftliche Eigentum und Selbstverwaltungsrechte entgegengestellt werden und dieses gemeinsam mit den BewohnerInnen erkämpft wird. Zuspitzen hieße also auch, konkrete Fragen wieder als Grundsatzfragen zu verhandeln.

Als emanzipatorische Nicht-Avantgardepartei müssen wir auch ausstrahlen: Das sind keine einfachen Heilsversprechen, sondern das ist ein offener Weg. Wer die Profitlogik überwinden und gleichzeitig neue Privilegienwirtschaft verhindern will, ist auf die aktive, demokratische Beteiligung der Menschen angewiesen. Und weil Befreiung weder nur gewünscht noch verordnet werden kann, müssen wir dort andocken und präsent sein, wo soziale Kämpfe aufkeimen. Auch dazu möchte ich im Parteivorstand in den nächsten zwei Jahren meinen Beitrag leisten.

Im Mittelpunkt meiner Aktivitäten wird die Stärkung des Jugendverbandes stehen. Wer einen handlungsfähigen Jugendverband möchte, muss auch für seine strukturelle Ausstattung sorgen. Andersherum erscheint es mir ebenso wichtig, für eine stärkere Wahrnehmung des Jugendverbandes in der Partei zu wirken. Oft sind wir mehrere Schritte weiter, wenn es zum Beispiel darum geht, partizipative Methoden wie auf unseren Bundeskongressen oder neue Formate wie unsere Internet-Show vor der Europawahl auszuprobieren.

DISPUT bat noch einmal neue Mitglieder des Parteivorstandes, sich und ihre politischen Ansprüche vorzustellen.