Disput

Freital ist überall

Die Zustände kamen nicht über Nacht. Sie sind Ausdruck eines jahrelangen Versagens der sächsischen CDU in der Flüchtlings- und Integrationspolitik

Von Juliane Nagel

In Sachsen bricht sich der Rassismus gegen Geflüchtete Bahn. Freital ist dafür zum bundesweiten Synonym geworden. Über Monate gab es in der Stadt rassistische Proteste gegen die Unterbringung weiterer Flüchtlinge. Die Stimmung vor dem Flüchtlingsheim war aggressiv. Auch Pegida-Gründer Lutz Bachmann war dort und stachelte die Leute an. Am Ende explodierte ein Sprengsatz im Auto des Vorsitzenden der LINKEN-Stadtratsfraktion.

Freital steht allerdings nicht allein. Es sind Städte wie Meißen, Freiberg, Böhlen, Lunzenau, stellvertretend für 42 Angriffe auf Asylunterkünfte im ersten Halbjahr. Das sind ein Fünftel der entsprechenden rassistischen Taten bundesweit und fast so viele, wie es im Vorjahr gab, als sich die Zahl im Vergleich zu 2013 verdreifacht hatte. Übergriffe, Stein- und Flaschenwürfe auf Menschen, die die Geflüchteten schützen wollen. In der Landeshauptstadt Dresden, wo seit mehreren Monaten Pegida ihr Unwesen treibt, war die heillos überforderte Polizei vor wenigen Wochen mit lediglich 50 Beamten vor Ort, als die NPD vor einem neu errichteten Zeltlager AntirassistInen angriff. Auch in den folgenden Nächten gab es Angriffe von Nazis und rechten Hooligans.

Für die fast tausend Menschen, die in dem Zeltlager leben müssen, ist das fast das geringste Problem. Eine Situation, in der bis zu achtzig Personen in einem Zelt untergebracht sind, ohne Platz zum Aufhalten oder soziale Räume, ohne Schutzorte für schwangere Frauen und Kinder, ohne eine adäquate medizinische oder gar soziale Betreuung und Orientierungshilfen in ihrem Asylverfahren, kann nur als fahrlässig und menschenunwürdig benannt werden.

Diese Zustände kamen nicht über Nacht. Sie sind Ausdruck eines jahrelangen Versagens der sächsischen CDU in der Flüchtlings- und Integrationspolitik.

Sachsen nimmt einen traurigen Spitzenplatz bei Kundgebungen und Angriffen gegen Flüchtlinge ein. 2014 waren es 44 Angriffe und rund 50 Demonstrationen. Im ersten Halbjahr 2015 sind es sogar schon 42 Übergriffe und 92 Demonstrationen gewesen. Hinzu kommen Pegida und Co., die zwischenzeitlich Zehntausende mobilisieren konnten und die breite Akzeptanz fremdenfeindlicher Positionen zeigen. Doch ist die Entwicklung keinesfalls an die aktuelle Zunahme der Flüchtlingszahlen gebunden. Bereits seit 2012 wachsen Proteste und Gewalttaten gegen Asylsuchende oder muslimische Gebetshäuser.

Wirksame Gegenstrategien und Parteinahme für die Betroffenen bleiben seitens der CDU-dominierten Landespolitik aus. Flüchtlingspolitik in Sachsen heißt klares Diktum der Heimunterbringung, kein Geld für soziale Betreuung und Integrationsangebote wie Sprachkurse. Verbindliche Qualitätsstandards für Unterkünfte existieren nicht. Darin zeigt sich die politische Linie der CDU, nach der Asylsuchende keine Zielgruppe für Integration sind. Sie bietet Anknüpfungspunkte für rassistische Stimmungsmache, die durch entsprechende Aktionen von CDU-Landespolitikern vermehrt werden. So traf sich CDU-Innenminister Ulbig Anfang des Jahres mit dem Pegida-Organisationsteam, und Ministerpräsident Tillich betonte, dass der Islam nicht zu Sachsen gehöre. Auf der anderen Seite wird zivilgesellschaftliche Arbeit gegen rechts in Sachsen traditionell gering geschätzt und sogar kriminalisiert.

Ein Asylgipfel Ende November 2014 bei Ministerpräsident Tillich, auf den die mehrheitlich CDU-dominierten Kommunen gedrungen hatten, brachte nur unverbindliche Ergebnisse. Die Weigerung der Landesregierung, sich dem Thema Flüchtlinge ernsthaft zu widmen, manifestierte sich Anfang des Jahres schließlich in den völlig überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen in Chemnitz und Schneeberg. Die Folge war die eilige Errichtung von über das Land verteilten unzulänglichen Interimsunterkünften, so mit 220 Menschen in einer einzigen Turnhalle in Schneeberg, ohne angemessene hygienische Versorgung. Dies geschah – und geschieht – ohne Kommunikation mit den BürgermeisterInnen und LandrätInnen. In der Folge stellten sich in diesem Jahr selbst die CDU-Landräte geschlossen gegen Innenminister Ulbig. Wirkliche Veränderungen sind dennoch nicht in Sicht. Insgesamt ist der CDU-geführten Landesregierung ein völliges Versagen beim Thema Flüchtlinge und Integration zu attestieren.

Wir als LINKE hingegen setzen uns für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Sachsen ein und stehen für eine andere, positive Ansprache zum Thema in der Gesellschaft. Dazu machen wir konkrete Vorschläge. Im Landtag hat die Linksfraktion bereits im Dezember 2014 mit dem »Ganzheitlichen Handlungs- und Kommunikationskonzept für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und eine bedarfsgerechte Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen« einen praxisorientierten Antrag vorgelegt. Er beinhaltet unter anderem eine Stabsstelle Asyl zur Koordinierung der Kommunikation mit den Kommunen, eine stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure, eine verbesserte Teilhabe der Flüchtlinge selbst sowie Maßnahmen zur Integration vom ersten Tag. Er wurde von der CDU-SPD-Koalition abgelehnt. Weitere Anträge der Fraktion forderten beispielsweise einen Winterabschiebestopp, eine Krankenversicherungskarte für Flüchtlinge und eine höhere Asylpauschale für die Kommunen. In Arbeit ist eine Initiative zur Novellierung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes, konkret dessen Ergänzung um qualitative Standards für Aufnahme, Unterbringung, Versorgung sowie Teilhabe.

Selbstverständlich misst DIE LINKE den zivilgesellschaftlichen Akteuren zur Unterstützung von Flüchtlingen einen ganz anderen Stellenwert bei als die sächsische Landesregierung. Auch am gesellschaftlichen Widerstand gegen Pegida und Co. sowie gegen rassistische Aufläufe vor Flüchtlingsunterkünften war und ist DIE LINKE auf allen Ebenen beteiligt: kommunal, durch die Landtagsabgeordneten und natürlich durch unsere acht sächsischen Bundestagsabgeordneten. Ein gutes Beispiel ist die »Asyltour« der Landesgruppe Sachsen der LINKEN im Bundestag und der Landtagsfraktion durch alle sächsischen Landkreise. In ihrem Rahmen besichtigen wir Flüchtlingsunterkünfte, sprechen mit Verwaltungen, Willkommensbündnissen, Flüchtlingsselbstorganisationen und anderen Aktiven, wir bieten Informationen rund um das Thema Asyl und stehen selbstverständlich als Ansprechpartner zur Verfügung. Vor Ort sind wir aktiv in Willkommensbündnissen und in Bündnissen gegen den rechten Hass. Denn von Anfang an haben wir gesagt: Dort, wo Menschen bedroht werden, sprechen wir nicht zuerst über die »Sorgen und Nöte« derer, die bedrohen, sondern mit denen, die bedroht werden. Es ist nicht viel, was man gegen diese unkoordinierte, ja gefährliche Politik der Staatsregierung machen kann. Aber wir tun es. Denn wir können die Geflüchteten in diesem Sachsen nicht allein lassen.