Lebendiger Ort
DIE LINKE. Hessen: Es klappt gut – und vieles könnte besser sein
Von Heidemarie Scheuch-Paschkewitz und Ulrich Wilken, Landesvorsitzende
Die Partei lebt: in Frankfurt am Main oder Marburg lebendiger als in Korbach oder Erbach (auch das sind hessische Städtchen!), im Wetterauer Kreistag kämpferischer, in der einen oder anderen AG schläfriger, in [‘solid] und SDS gerne noch ein wenig aufmüpfiger, im Landtag als ständiger Stachel im Fleisch all derer, die einen Politikwechsel angekündigt haben, aber dann doch nicht umsetzen wollten/konnten.
Blockupy-Stadt Frankfurt am Main
Wir haben sehr frühzeitig - und nicht nur in Vorbereitung auf den Europawahlkampf - TTIP und andere »Freihandels«abkommen ins Zentrum der Politik gestellt. Das ist die logische Folge unserer internationalen Anti-Austeritätspolitik. Unser eigenes Material aktivierte die Basisorganisationen. Zusammen mit BündnispartnerInnen klären wir auf, dass auch dieses als gigantisches Wachstumsprogramm angepriesene Vorhaben mit einem beispiellosen Abbau von Produktionsstandards, Verbraucherschutz- und Arbeitnehmer/innenrechten, Lohnniveaus, Umwelt- und Sozialauflagen, ja sogar unserer demokratischen Rechtsstaatlichkeit erkauft würde. Wir vermuten, dass das hessische überproportional gute Abschneiden bei der Europawahl auch mit diesem Engagement zusammenhängt.
Wichtige Partner/innen hierbei sind die Blockupy-AktivistInnen und ihre Organisationen. Mit ihnen zusammen wird antikapitalistische Politik erlebbar und für viele Menschen wahrnehmbar: im Kampf gegen den Rechtspopulismus (nicht nur) der AfD, im Anprangern menschenunwürdiger Produktion (nicht nur) der Textilindustrie, im Kampf gegen Flüchtlingspolitik und Abschiebepraxis und im Kampf gegen die Austeritätspolitik der Troika, vor allem am Standort der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.
Aus dem Blockupy-Umfeld kam ein Wahlaufruf zur letztjährigen Landtagswahl: »Ein Angebot, das wir nicht ablehnen können: DIE LINKE wieder in den hessischen Landtag wählen!« Dies hat sicherlich mit beim Wiedereinzug in das Parlament geholfen, der hoffentlich das Ausscheiden der LINKEN aus den westlichen Flächenlandtagen gestoppt hat. Die Aktivisten schrieben damals in ihrem Aufruf: »Denn egal ob beim Bildungsstreik gegen die Ökonomisierung der Hochschulen, beim Kampf gegen den Fluglärm am Rhein-Main Airport, bei Protesten gegen Abschiebungen, bei Besetzungen von Frei- und Wohnräumen, der Verhinderung von Naziaufmärschen oder bei Blockupy Frankfurt - Abgeordnete und Mitglieder der LINKEN haben vor Ort Unterstützung geleistet und später öffentlich Stellung bezogen gegen die Überwachung und Kriminalisierung von Protesten und sozialen Bewegungen. Das unterscheidet DIE LINKE in Hessen von jenen Parteien, die den Neoliberalismus »fairer‹ moderieren und ein wenig »grüner‹ machen wollen. Insbesondere während der Blockupy-Proteste 2013 hat DIE LINKE bewiesen, dass sie sich als gleichberechtigter Teil der gesellschaftlichen Linken versteht und nicht beansprucht, deren Zentrum zu sein. Die von der LINKEN betriebene parlamentarische Nachbereitung der Polizeigewalt und des Kessels war produktiv, provokativ, sie war mutig und ein Gewinn für die Bewegung. Und: Sie stand zu keinem Zeitpunkt in Konkurrenz zu außerparlamentarischer Politik.« Wir freuen uns über dieses Lob.
Flächenland mit unterschiedlicher Struktur
Hessen ist zugleich der verdichtete Ballungsraum mit der prosperierenden Region Rhein-Main, aber auch der strukturschwache und von Bevölkerungsschwund gekennzeichnete Nordosten. Allen Kommunen ist dabei gemein, dass sie immer mehr Geld von ihren BürgerInnen verlangen. Grundsteuer, Kindergartengebühren, Abwasser, Hundesteuer, Parkgebühren ... alles steigt. Die Leistungen der Städte und Gemeinden sinken. Doch das Ziel des Schuldenabbaus wird damit nicht erreicht. Überall wird versucht, mit unsozialen Maßnahmen die Haushaltsdefizite zu minimieren.
Viele Gemeinden erhöhten die Grundsteuer B. Das trifft nicht allein die Hauseigentümer, sondern auch Mieter: die alleinerziehende Mutter ebenso wie die vierköpfige Familie oder den Minijobber. Denn die Kosten für das Haus werden umgelegt. Die Gebühren für Kindertagesstätten stiegen gleichfalls vielerorts.
Das Thema bezahlbarer Wohnraum steht in zahlreichen Kreisorganisationen auf der Tagesordnung. Die Mieten explodieren in den Städten und in den Ballungsgebieten. Auf dem flachen Land sind die Mietpreise moderater, und es steht sogar Wohnraum leer. Aber der öffentliche Nahverkehr und die Infrastruktur werden ausgedünnt.
Unsere LINKEN-Kommunalpolitiker/innen sind es, die diese Politik anprangern und die deutlich machen, dass sich ohne Erhöhung der Einnahmen an der miserablen Finanzlage der Kommunen nichts ändern wird.
Zentrum der NSA-Überwachung
US-Einrichtungen auf hessischem Boden sind maßgeblich beteiligt an der umfassenden Ausforschung von Telefonaten, SMS, Internet, Emails und Sozialen Netzwerken: im Dagger-Komplex in Griesheim bei Darmstadt (European Security Center), in einer NSA-Station in Frankfurt am Main unter anderem im Generalkonsulat und im European Technical Center in Wiesbaden. Deutschland ist integraler Bestandteil der US-Sicherheitsarchitektur und des »Krieges gegen den Terror«. Auch aus Hessen heraus organisierten und organisieren die USA Entführungsflüge, Folter und Hinrichtungen von Terror-Verdächtigen. Wiederum mit BündnispartnerInnen wehren wir uns gegen den geheimdienstlich-informationstechnisch-militärischen Komplex mit seinen Vorratsgesetzen und Notstandsinstrumenten zur grenzüberschreitenden Überwachung und Intervention. Wir wollen nicht, dass von Hessen aus weltweit Einsätze zur globalen Krisenverhütung und -bewältigung, präventiven und repressiven Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung koordiniert werden.
Kommunalwahlen 2016 im Blick
Wir gewinnen neue Mitglieder mit diesem Engagement. Doch sind die Kreisverbände nicht immer in der Lage, den Kontakt zu halten und die Neuen einzubinden. So verlieren wir einen Teil der Neueintritte wieder. Mit unserem Programm »DIE LINKE. Hessen stark machen« versuchen wir, in der Organisationspolitik zu lernen.
DIE LINKE. Hessen wächst nur langsam - viel zu langsam angesichts der vielfältigen Aufgaben. Wir haben hier kein Patentrezept. Aber wir bleiben dabei: Gute und konsequente antikapitalistische Politik, inhaltlicher Streit, aber politische Zusammenarbeit, das sind die Aufgaben einer sozialistischen Partei.
Wir richten unseren Fokus auf die Kommunalwahlen 2016. Unser Ziel ist es, bis dahin in allen Regionen stabile Strukturen zu schaffen und somit für ein gutes Ergebnis bei den Kommunalwahlen in Hessen die Weichen zu stellen. Notwendig dafür sind interessierte Mitglieder, die die Partei als lebendigen Ort erleben, wo es Spaß macht, politisch aktiv zu sein, und wo es den nötigen Raum für inhaltliche Kontroversen gibt.