Disput

Solidarisch mit den Hebammen

Die Kampagne der LINKEN in der Region Trier

Von Katrin Werner

»Dieser Job ist meine Berufung, aber so konnte es nicht mehr weitergehen. Die Haftpflichtversicherungsbeiträge sind einfach nicht mehr bezahlbar«, so Anja Lehnertz, freiberufliche Hebamme in der Region Trier (Rheinland-Pfalz). Sie musste Anfang des Jahres als Letzte ihren Beruf aufgeben. Die prekäre Situation der Hebammen in Deutschland ist längst kein Geheimnis mehr. Zum 1. Juli stieg der Beitragssatz für die jährliche Haftpflichtprämie, die freiberufliche Hebammen zahlen müssen, auf 6.270 Euro an. Noch vor zehn Jahren betrug er 1.350 Euro, im Jahr 1992 sogar lediglich umgerechnet 179 Euro pro Jahr. Die horrenden Kosten der Haftpflichtprämien machen den Hebammen die Ausübung ihres Berufes zunehmend unmöglich.

Dadurch wird die gesetzlich garantierte Wahlfreiheit der Geburtsart und des Geburtsortes für werdende Mütter faktisch abgeschafft. Das hat zur Folge, dass die rasant wachsende Inanspruchnahme der Krankenhäuser zum Verschwinden der Eins-zu-eins-Betreuung von Schwangeren durch Beleghebammen führt. Gleichzeitig steigt die Rate an Kaiserschnitten merklich an, da sie für die Ärzte profitabler sind und Hebammen für natürliche Geburten fehlen. Die Qualität der Versorgung in der Geburtshilfe insgesamt nimmt deutlich ab, und die rigiden Zeitvorgaben der Krankenkassen – ca. 20 Minuten pro Mutter und Hausbesuch – sowie weite Anfahrtswege für Mütter und Hebammen auf dem Land tun ihr Übriges. Dabei können die Folgen des Hebammenmangels in Notfällen sogar lebensbedrohlich sein.

Gleichzeitig werden die Verantwortlichen nicht müde, ihr Bedauern über die verfahrene Situation zu beteuern. Regierungspolitiker und der Spitzenverband der Kranken- und Pflegeversicherungen reihen sich in den Chor derjenigen ein, die das vermeintlich unumgängliche Schicksal der Hebammen beklagen. So verkündete Gesundheitsminister Gröhe (CDU), die Arbeit der Hebammen sei ihm eine Herzensangelegenheit, echte Lösungsansätze bleiben jedoch aus.

Für DIE LINKE im Raum Trier war all das Anlass genug, um seit Beginn des Jahres eine gezielte politische Offensive zum Thema freiberufliche Hebammen zu starten. Kern dieses Engagements waren mehrere Antragsinitiativen und Anfragen, die die Problematik ins öffentliche Bewusstsein rücken sollten. So wurde im Trierer Stadtrat ein Resolutionsantrag der Linksfraktion angenommen, der für Erhalt, Unterstützung und Förderung der Arbeit der Hebammen durch die Stadt wirbt. Auch in den Nachbarkreisen haben Mandatsträger/innen dazu koordiniert Anfragen an die jeweiligen Kreisverwaltungen gestellt, die sich nach organisatorischen Unterstützungsmöglichkeiten und einer Teilübernahme von Kosten erkundigten. Zusätzlich wurde eine Anfrage an die rheinland-pfälzische Landesregierung bezüglich der Situation der freiberuflichen Hebammen im Land geschickt und dazu ein Offener Brief an die Fraktionen im Landtag verfasst.

Auf der Straße hat DIE LINKE die Hebammen bei einer Protestkundgebung in der Innenstadt am Internationalen Hebammentag, dem 5. Mai, unterstützt. Als besonders vorteilhaft und nützlich erwies sich die intensive Zusammenarbeit mit Hebammen, die von ihrer persönlichen Situation berichteten und dabei halfen, Forderungen aufzustellen und Lösungen zu entwickeln, für deren Umsetzung sich anschließend in den politischen Entscheidungsgremien eingesetzt werden konnte.

Diese lokale Kampagne war exemplarisch für ein gelungenes Aufgreifen sozialer Probleme und gesellschaftlicher Missstände, denen wir als LINKE durch unsere kommunale Verankerung politisches Gehör verschaffen konnten. Diese Verzahnung von kämpferischem Protest gegen unzumutbare politische Zustände und das Hineintragen des geäußerten Widerspruchs in die parlamentarischen Institutionen halten das Potenzial bereit, DIE LINKE zum Motor gesellschaftlicher Veränderung werden zu lassen.

Unsere Forderungen sind angesichts der dramatischen Lage des Hebammen-Berufsstandes dringend. Die mit dem neoliberalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft eingeleitete Überantwortung der Gesundheitsvorsorge in die Hände privater Dienstleister zeigt hier so deutlich wie nirgendwo anders ihre katastrophalen Konsequenzen. Wir werden uns als LINKE weiterhin dafür einsetzen, einen öffentlichen, beitragsfinanzierten Haftungsfonds für alle Leistungserbringerinnen und -erbringer in medizinischen und Pflegeberufen zu schaffen. Gerade die Absicherung von Geburtsrisiken ist nichts, das man marktwirtschaftlichen Verwertungsinteressen überlassen darf. Das vermeintlich so effektive Marktsystem der Produktion und Verteilung versagt bei der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen genauso konsequent wie in den Kernbereichen der Wirtschaft. Es muss überwunden werden – die verzweifelte Lage der Hebammen spricht darüber Bände.

Katrin Werner ist LINKEN-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz und Bundestagsabgeordnete.